Essen. Makramee erfreut sich als entspannende wie kreative Handarbeit wieder großer Beliebtheit – nicht nur, aber gerade auch in Corona-Zeiten

Die Älteren unter uns mögen sich noch gut erinnern: In den 1970er-Jahren zierten nicht nur flauschige Flokatis, Bogenlampen und rieselnde Trockengestecke die Wohnungen der Deutschen. Als angesagter Wandschmuck durfte auch die gemeine Makramee-Eule nicht fehlen – oder wahlweise ein anderer Behang aus virtuos geknüpften Knoten.

Makramee: Knüpftrend der 70er erlebt ein Comeback

Maria Wagner erklärt Interessierten in Workshops die Makramee-Technik – wenn nicht gerade eine Pandemie dazwischenfunkt ...
Maria Wagner erklärt Interessierten in Workshops die Makramee-Technik – wenn nicht gerade eine Pandemie dazwischenfunkt ... © Privat | Maria Wagner

Im Laufe der nachfolgenden Jahrzehnte galt die orientalische Knüpftechnik dann bald als arg zopfig, inzwischen sind die Knotenkreationen jedoch wieder schwer angesagt – und das nicht etwa im Zuge eines prilblumenverliebten 70er-Jahre-Revivals. Heute knüpft, wer hip ist und den beliebten Boho-Style mag. Auch für Maria Wagner war Makramee daher eine völlige Neuentdeckung: „Ich kannte das gar nicht von früher“, erzählt die 28-Jährige, „auch meine Eltern nicht. Sie stammen aus Ostdeutschland, da war Makramee wohl auch nicht so verbreitet.“

Einstieg per Internet

Vor rund eineinhalb Jahren stieß Wagner auf das kreative Knüpfen, in Zeitschriften und im Internet. „Ich wollte auch so eine Blumenampel bei mir zu Hause haben und hab meine erste dann mithilfe von Youtube-Tutorials geknüpft“, erinnert sich die Wahl-Bochumerin.

Inzwischen leitet sie selbst Workshops und bringt dabei Interessierten die Technik nahe. Zuletzt wollte sie vor drei Wochen auf der WAT-Kreativ in Wattenscheid zeigen, wie man eine Blumenampel knüpft. Doch wie alle Events fiel die Messe dem Corona-Virus zum Opfer. Dabei sei Makramee gerade jetzt der ideale Zeitvertreib für die Zwangsfreizeit in den heimischen vier Wänden: „Ich finde Makramee unheimlich entspannend, richtig meditativ“, so Maria Wagner. „Es macht den Kopf frei, denn man muss sich schon konzentrieren und kann das zum Beispiel nicht beim Fernsehen machen.“

Männer und Makramee? Eher nee ...

Zwischen 25 und 40 Jahren seien die Teilnehmerinnen in ihren Workshops, so die Makramee-Autodidaktin. Und ja, es seien wirklich bislang ausschließlich Teilnehmerinnen gewesen – ein Mann habe sich bei ihr zumindest noch nicht für das Knüpfen von Blumenampeln, Wandbehängen & Co interessiert.

Auch wenn das Erlernen der Knüpftechniken in Workshops geselliger sein mag: Gerade zu Coronazeiten bietet sich Makramee als neues Hobby geradezu an – dank der erwähnten Erklärvideos im Internet, anhand derer auch Maria Wagner der Einstieg in die Welt der schönen Knoten gelang. Das Angebot an Youtube-Tutorials ist riesig, weshalb spezielle Empfehlungen willkürlich wären. „Da muss man sich einfach mal durchklicken und schauen, was einem am meisten zusagt – auch was die Art angeht, wie die Technik erklärt wird“, so Maria Wagner.

Eine Frage des Garns

Was es sonst noch braucht, ist nicht viel, aber essenziell: das Garn. Hier empfiehlt es sich für Anfänger, erst einmal ein dickeres zu verwenden. Denn damit ist besser zu erkennen, wie das Garn für den jeweiligen Knoten geführt werden muss. Und: Dickeres Garn verzeiht eher Fehler, weil ein falsch geknüpfter Knoten leichter wieder zu lösen ist.

So einen Wandbehang braucht, wer seine Wohnung im Boho-Stil dekorieren möchte.
So einen Wandbehang braucht, wer seine Wohnung im Boho-Stil dekorieren möchte. © Getty Images/iStockphoto | etrenkod

Im einschlägigen Onlineversandhandel gibt’s eine große Auswahl an Makramee-Garn. Es fällt auf, dass helle Naturfarben dominieren, obwohl farbiges Garn für gestalterische Abwechslung sorgen könnte. Maria Wagner kann das bestätigen: „Ich arbeite auch am liebsten mit naturfarbigem Garn. Das passt einfach am besten zum aktuellen Boho- und Ethno-Stil, den ich sehr mag.“ Die gebürtige Nordhessin hat aber auch noch einen Tipp zur Garnfrage: „Wer am Anfang Geld sparen möchte, kann auch günstigere Sisalschnur verwenden.“

Wenn es ans Knüpfen geht, bemerkt der Anfänger, dass es beim Makramee nur zwei Grundknoten gibt: den Halben Schlag und den Halben Knoten. Alle weiteren Knoten sind im Grunde nur Varianten dieser beiden – etwa der Kreuzknoten, der aus zwei Halben Knoten besteht. Durch Abfolge und Variation der verschiedenen Knoten entstehen die unterschiedlichen Knüpfmuster, deren Vielfalt naturgemäß endlos ist.

Zum Makramee-Grundprinzip gehört auch die Unterscheidung in Arbeitsfaden und Leit- oder Tragfaden. Letzterer trägt die Knoten, die mit dem Arbeitsfaden geknüpft werden. Augenfällig wird das besonders beim Klassiker Blumenampel – hier wird das Pflanzgefäß von den Tragfäden gehalten und die daran geknüpften Arbeitsfäden bilden die Verzierung.

Neben der Blumenampel gibt es zahllose weitere Gestaltungsideen für kreative Knotenknüpfer – vom Kissenbezug über Tischläufer bis zu Mini-Makramees wie Schlüsselanhängern & Co. Möchte man seine Wohnung im Boho-Style dekorieren, ist wiederum ein fransiger Wandbehang Pflicht. Nach demselben Muster – nur mit entsprechend längeren Garnfäden – kann man auch Vorhänge für Terrassen- und andere Türen knüpfen. Und wer von einer sommerlichen Outdoor-Hochzeit im Boho-Look schwärmt, der mag sich vielleicht sogar an einen romantischen Bogenvorhang zum Durchschreiten wagen. Dazu müssen freilich so einige Knoten geknüpft werden – aber wann, wenn nicht jetzt, hat man die Zeit dafür ...

Schon gewusst?


Makramee stammt etymologisch vom arabischen Wort „miqrama“ ab, das soviel wie „bestickter Schleier“ bedeutet. Auch geografisch hat die Knüpftechnik im Orient ihren Ursprung. Die ältesten Darstellungen von Makramee-Verzierungen an Kleidung und Tüchern finden sich in den Steinreliefs von Babyloniern und Assyrern. Mit der muslimischen Eroberung der Iberischen Halbinsel im frühen Mittelalter gelangte die Kunst der dekorativen Knoten auch nach Europa. Später übten sich insbesondere Matrosen im Makramee-Knüpfen. Die in ihrer dienstfreien Zeit auf See hergestellten Arbeiten verkauften sie beim Landgang im nächsten Hafen.