Düsseldorf.. Armin Laschet ist ein weltoffener, katholischer Europäer. Im Straßenwahlkampf punktet er mit seiner zurückhaltenden Art. Aber manche in der CDU wünschten sich einen „harten Hund“ an der Spitze.
Der Wahlkampf und die Lust auf Süßes locken Armin Laschet zu Gudrun Faß. Der CDU-Spitzenkandidat ist bei seiner Suche nach Bürgerkontakt an Frau Faß’ Honig- und Marmeladenstand gelandet. „Fest?“, fragt Laschet. „Nein, schön cremig“, sagt Frau Faß, und verkauft dem Herrn mit dem schwarzen Mantel ein Glas Honig mit „Bergahorn“-Aroma. „Macht einen netten Eindruck“, sagt die Marktfrau nachher über Laschet. Dass der Kunde von der CDU ist, weiß sie, wofür genau er steht und was er will, das weiß sie nicht. Armin Laschet ist nicht nur für Gudrun Faß noch ein Unbekannter.
Immerhin: Dort, wo der Kandidat auftaucht, ob auf diesem Marktplatz in Westfalen oder in irgendeiner Fußgängerzone an Rhein und Ruhr, lauten die Kommentare ähnlich: „Nett“ sei er, „freundlich“ oder „charmant“. Viele überrascht das. Sie vermuten in einem Politiker einen notorischen Besserwisser. Oder einen Schreihals. Armin Laschet ist das nicht.
Seine leutselige Art bringt ihm Sympathiepunkte
„Zuhören. Entscheiden. Handeln“ lautet das Motto seiner Kampagne. Mal abgesehen davon, dass sich dieser Spruch schon in anderen Wahlkämpfen und über Parteigrenzen hinweg abgenutzt hat und er als Oppositionsführer zuletzt nicht viel entscheiden konnte, ist Laschet tatsächlich ein guter Zuhörer. Seine etwas zurückhaltende, auch mal selbstironische Art bringt dem 56-Jährigen beim Marktplatz-Geplauder Sympathiepunkte. Sie ist aber gleichzeitig seine größte Schwäche.
„Armin Laschet ist ein leutseliger Mann, mit dem jeder gern zusammen ist“, sagt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte über Laschet. Aber zur Wähler-Mobilisierung in einem Wahlkampf, findet der Professor, seien eigentlich andere Qualitäten gefragt. Da hätten es Typen mit Ecken und Kanten, die „harten Hunde“ leichter. Würde sich Laschet aber selbst als Hardliner inszenieren, es nähme ihm keiner ab. Als er Anfang April in einer Landtagsdebatte einen Wutanfall bekam und die Ministerpräsidentin wegen eines Zwischenrufs anschrie, da machte sich Oliver Welke in der „Heute Show“ über ihn lustig und verglich ihn mit einem „wütenden Hobbit“.
Der von Statur eher kleine Aachener passt nicht in Politiker-Klischees und erst recht nicht in das Bild eines strammen Konservativen. Unterschätzen darf man ihn indes nicht. Der bekennende Katholik, Sohn eines Bergmanns und späteren Grundschul-Leiters, bewegt sich seit 1989 in diversen Parlamenten. Er saß für die CDU im Aachener Rat, war Bundestags- und EU-Abgeordneter. Und er hat sich in den vergangenen Jahren auf etwas eingelassen, was nahezu unmöglich ist, nämlich die traditionell zerstrittene Landes-CDU halbwegs zu befrieden und auf Kurs zu bringen.
Die Chance zum Aufstieg
Im Mai 2012, nach einem desaströsen Wahlkampf mit dem unglücklichen Spitzenkandidaten Norbert Röttgen, stand die Union vor einem Scherbenhaufen. 26,3 Prozent. Das war das schlechteste Ergebnis der CDU in NRW seit ihrer Gründung im Jahr 1947. So bekam Laschet, der in der Partei nie unumstritten war, in der Stunde der Niederlage die Chance zum Aufstieg. 2012 wurde er – mit spärlichen 80,3 Prozent Zustimmung – Chef der Landes-CDU, später Fraktionsvorsitzender im Landtag. Im vergangenen Herbst stimmten 97,4 Prozent für Laschet als Spitzenkandidaten.
Es ist der 26. November 2016: Ein entscheidender Tag auf dem Weg zur Landtagswahl. Armin Laschet will sich an diesem Samstag in Mönchengladbach Rückenwind aus der eigenen Partei für die Landtagswahl holen. In einem restaurierten Flugzeughangar gelingt ihm eine erstaunliche Inszenierung. Laschet überrascht mit einer Rede mitten im Publikum. Er verzichtet auf eine Ansprache von oben herab und geht auf die 237 Delegierten zu, er schreitet von Tisch zu Tisch, von Bezirksverband zu Bezirksverband: Ruhr, Südwestfalen, Mittelrhein...
Laschet lobt einzelne Parteifreunde, bedankt sich artig bei seinem früheren Konkurrenten Karl-Josef Laumann und erinnert an die einstige Zerrissenheit der Partei. Bloß keinen Streit mehr, ist die Botschaft seiner Ein-Mann-Show. An diesem kühlen Novemberwochenende passt alles zusammen. In den Umfragen liegt die CDU im Herbst 2016 auf Augenhöhe mit der SPD. Laschet gerät mit Blick auf die Kommunalwahlen ins Schwärmen: „Die CDU kann doch Großstadt“, ruft er. „Wir haben in Oberhausen gewonnen, wir haben Bonn zurückgewonnen. Und wir stellen den Bürgermeister in Essen.“
Manche in der CDU wünschen sich härtere Gangart
Der Wind hat sich seitdem wiederholt gedreht. Die Umfragen schwanken. Von „konservativen Kreisen“ ist nun häufiger die Rede, die angeblich hinter Laschets Rücken intrigieren. Die sich an der Spitze einen zackigen Law-and-Order-Mann wünschen anstelle des weltoffenen, großstädtischen Merkel-Getreuen. Schon kursieren die Namen von möglichen Gegenspielern aus Westfalen: Jens Spahn (36) etwa, Paul Ziemiak (31) oder der CDU-Mittelständler Carsten Linnemann (39). Aus der FDP-Spitze wird spöttisch kolportiert, Laschet leide unter „Beißhemmung“. Tatsächlich schielen manche in der Union neidisch auf den messerscharf formulierenden, smarten FDP-Vorsitzenden Christian Lindner.
Eine Rebellion, da sind sich Beobachter einig, muss Laschet wohl auch dann nicht befürchten, wenn die CDU am 14. Mai deutlich hinter der SPD liegen sollte. So knüppeldick wie unter dem unglücklichen Norbert Röttgen dürfte es nicht kommen. Und koalitionsfähig und -willig ist der kompromissbereite Vorsitzende allemal. Einer wie er könnte mit der FDP regieren, aber auch mit SPD und Grünen.
Loyal zu Merkel in der Flüchtlingskrise
Seine Aachener Herkunft unterstreicht Laschet immer dann gerne, wenn er über Europa redet. Die Grenzfreiheit ist ihm wichtig und Handel ohne Hindernisse. Nationalistische Töne sind ihm ein Graus, die bayerische Idee von einer Pkw-Maut für Ausländer findet der CDU-Landesvorsitzende „schädlich“.
Zwischen Laschet und Kanzlerin Merkel passte sogar auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise kein Blatt Papier, aber den braven Laschet und den populistischen CSU-Chef Seehofer trennt politisch einiges, und persönlich liegen Lichtjahre zwischen ihnen. Laschet war unter Jürgen Rüttgers erster deutscher Integrationsminister, und er interpretierte diesen Job auf sehr moderne Weise. Böse Zungen sprechen heute noch vom „Türken-Armin“.
Auf dem Marktplatz, unweit von Honighändlerin Gudrun Faß, steht ein junger Mann und verteilt Broschüren. Justin Zuther (15) ist wie die vielen anderen jungen Parteimitglieder hier ein Laschet-Fan. „Weil der auf jeden zugeht und alle erreicht“, sagt Justin.