Hagen. Die Digitalisierung hilft. Aber nicht alles wird gut. Wie die Buchbranche Südwestfalens die Corona-Krise meistert

Kundenbindung, Kreativität und Digitalisierung sind die drei Standbeine, mit denen der Buchhandel einigermaßen überlebensfähig aus der Coronakrise hervorgeht. „Zwar sorgen Umsatzrückgänge aus den Wochen der Geschäftsschließungen für ein negatives bisheriges Jahresergebnis, dennoch blicken Verlage und Buchhandlungen zuversichtlich auf das verbleibende Jahr“, meldet der Börsenverein des deutschen Buchhandels. In Südwestfalen freuen sich die Buchhändler über die Loyalität ihrer Kunden. Vor allem die bereits erfolgte digitale Transformation der Buchhandlungen kommt den Geschäften jetzt zugute.

Viele pfiffige Ideen


„Das war die Stunde des kleinen Buchhandels“, bilanziert Georg Spielmann, Geschäftsführer der Buchhandlung Dreimann und der Bücherstube Hachmann in Olpe. „Die großen Buchhandlungen leben von der Laufkundschaft, und die fiel während der Schließung aus. Die Kleinen waren sehr, sehr pfiffig, mit tausend unterschiedlichen Ideen.“

Bereits vor Corona hat der 53-Jährige mit der örtlichen Lindenapotheke kooperiert, um seine Bücher noch am gleichen Tag klimaneutral im Elektromobil zu den Kunden zu bringen. Diese Struktur konnten seine Buchhandlungen während der Schließung weiter nutzen. „Wir haben gewaltig davon profitiert, dass wir seit Jahren einen Lieferservice haben. Im Nahbereich haben wir über die Apotheke ausgeliefert. Die mussten extra einen neuen Fahrer einstellen, und im Fernbereich über die Post. Ich habe Tausende von Paketen gepackt.“

Auch Ursula Heering von der Hohenlimburger Buchhandlung in Hagen-Hohenlimburg hat sich darauf konzentriert, Bücher auszuliefern. „Ich habe vormittags teilweise vier Stunden telefoniert, um Bestellungen aufzunehmen. Wir haben mit drei Autos ausgeliefert und mussten eine eigene Logistik entwickeln. Wir haben geschuftet wie noch nie.“

Viele Lernerfahrungen


Den Lieferservice will die Hohenlimburger Buchhandlung in kleinerem Rahmen beibehalten, für Kunden, die nicht gut zu Fuß sind oder aus gesundheitlichen Gründen nicht aus der Wohnung können. Die 59-Jährige begreift die Krise als besondere Zeit mit vielen Lernerfahrungen. „Wir haben ganz großes Glück gehabt. Wir haben so viele positive Rückmeldungen erhalten, das macht mir einfach Mut.“

Katrin Föster will allerdings auch die kritischen betriebswirtschaftlichen Aspekte der kreativen Kundenorientierung nicht unter den Tisch kehren. Die 50-jährige Diplom-Volkswirtin führt drei Buchhandlungen in Meschede, Schmallenberg und Arnsberg. „Wir sind mit vereinten Kräften gut durchgekommen, aber es hat uns auch gekostet. Der Aufwand, den wir für Lieferung und Versand betrieben haben, hat hohe Kosten verursacht, das darf man nicht vernachlässigen. Und wir haben Umsatzeinbußen, das darf man nicht vergessen.“

Kundenorientierung

Neben der Kundenorientierung ermöglicht die Digitalisierung den kleinen Buchhandlungen das Überleben. „In der Zeit der Schließung ist unser Onlineshop explodiert“, beschreibt Georg Spielmann die Situation. „Amazon setzt uns seit Jahren so unter Druck, dass die Buchhandlungen sich alle Onlineshops eingerichtet haben. Für diesen Fall war das gut. Und alles, was Amazon nicht kriegt, ist gut“, ergänzt Ursula Heering, deren Online-Umsatz sich verdoppelt hat. „Der Buchhandel hat sich schon früh durch den Druck von Amazon digitalisiert. Das hat uns das Leben deutlich leichter gemacht“, bestätigt auch Katrin Föster, die durch Corona noch einen Schritt weitergegangen ist. „Wir sind jetzt auch in den sozialen Medien aktiv und posten auf Facebook und Instagram.“

Alarmsignale

Trotz dieser Erfolgsmeldungen kommen der Branche beständig Leser abhanden. 28,8 Millionen Deutsche haben 2019 mindestens ein Buch gekauft. Das sind 1,1 Millionen oder 3,5 Prozent weniger als noch 2018. Obwohl es dadurch kaum Umsatzverluste gibt, weil weniger Käufer mehr Bücher erwerben, ist die Entwicklung ein Alarmsignal. „Das ist eine ganz vielschichtige Geschichte, ein Puzzle mit vielen, vielen Einzelteilen“, analysiert Katrin Föster. Dennoch lässt sich erkennen, dass der ländliche Raum mit seinem sozialen Zusammenhalt auch dem Einzelhandel vorerst noch Standortvorteile bringt. „Wir haben sehr, sehr treue Kunden“, sagt Georg Spielmann. „Darüber sind wir sehr glücklich.“