Amsterdam.. Nur die Königin muss noch ihren Eröffnungssegen geben. Danach aber dürfen die Augen der Massen sich weiden - nicht nur an Rembrandts „Nachtwache“, dem berühmtesten Gemälde des Amsterdamer Rijksmuseums. Zehn Jahre lag eines der berühmtesten Museen der Welt im Renovierungsschlaf.

Alles umgekrempelt! Wände, Dächer, Asbest raus, Licht und Luft rein. Nur die National-Ikone, Rembrandts „Nachtwache“, ist geblieben, wo sie immer war. Wenn Königin Beatrix am Samstag nächster Woche, dem 13. April, das Rijksmuseum in Amsterdam wiedereröffnet, hat es zehn Jahre Umbau und Renovierung hinter sich.

Alles neu, für 375 Millionen Euro, vom Eichenparkett bis zur Eintrittsregelung: Das Museum ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet, Kinder und Jugendliche haben freien Eintritt. Museumsdirektor Wim Pijbes gibt die Parole aus: „Jedes holländische Schulkind soll die ,Nachtwache’ gesehen haben!“

Doch der Weg nach Amsterdam lohnt auch wegen anderer Großtaten, von Rembrandts „Judenbraut“ bis zum Selbstbildnis als Paulus. Oder für die vier der raren Vermeers der Sammlung. Nur im Original strahlen sie diesen Schimmer aus, der Jan Vermeer als unerreichten Weltmeister der Blautöne ausweist, beim Meerestiefenazur in der Schürze seines „Milchmädchens“ genauso wie beim Sommerhimmelpastell, aus dem das Kleid der „Briefleserin“ besteht.

Oberlicht und Scheinwerferglanz

Und erst die furiosen Porträts des Frans Hals, die so viel mehr verraten, als den Männern und Frauen darauf recht sein kann! Oder die Wimmelbilder des Hendrick Avercamp voller Schlittschuhläufer! Derlei Meisterwerke des „Goldenen Zeitalters“ zwischen 1600 und 1700 haben die Beletage des Museums bekommen und erstrahlen in einer exzellent ausbalancierten Mischung aus Oberlicht und Scheinwerferglanz.

Ansonsten sind die 80 Säle mit 8000 Ausstellungsstücken aus 800 Jahren Geschichte nach Epochen geordnet, vom Mittelalter im Souterrain bis zum spärlicher ausfallenden 20. Jahrhundert unterm Dachjuchhe, wo ein Fokker-Flugzeug, einige Sessel des Kultdesigners Gerrit van Rietfeld und Piet Mondrians Gemäldegeometrie auf Besucher warten.

Der kritische Blick auf die Plünderung der Kolonien fehlt

Ebenfalls neu: Die Kunst wird, abgesehen von den Heiligtümern der Sammlung, zusammen mit Dingen aus dem Alltag präsentiert: Mit jahrhundertealten Wollmützen von Walfängern etwa oder Kanonenrohren, die den Aufstieg der Kolonialmacht Niederlande absicherten. Manches Blumen-Stillleben entfaltet erst seinen vollen Reiz zusammen mit der holzgetäfelten Wand, dem spiegelgekrönten Kamin oder den Delfter Kacheln.

Teppiche und Tafelsilber, Intarsientische und in Gold gefasste Kokosnuss-Becher bieten einen massiven Eindruck von jener „Bürgermacht“ und „wahren Freiheit“, auf die Holland seit seinem „Golden Zeitalter“ stolz war. Mehr sogar noch als die vielen Gildenbrüder-Bilder, von denen auch Rembrandts „Militärkompanie des II. Bezirks unter dem Kommando von Kapitän Frans Banning Cocq“ gesäumt ist, wie die „Nachtwache“ ja eigentlich heißt. Einen kritischen Blick auf die holländische Geschichte, auf die Plünderung der Kolonien, auf Massaker und Sklavenhandel sucht man vergebens.

Das Dunkle und Enge ist weg

Als das von Pierre Cuypers entworfene Gebäude 1885 eröffnet wurde, dauerte es nur fünf Jahre bis zum ersten Umbau. Viele weitere sollten folgen: Die protestantischen Amsterdamer erinnerte das Gebäude des Architekten aus dem katholischen Süden zu sehr an eine Kathedrale. Immer mehr Zwischenwände und –decken sorgten dafür, dass es immer dunkler und enger wurde. Das Architektenbüro Cruz y Ortiz aus Sevilla verwandte fast die Hälfte seiner Arbeit auf die Wiederherstellung der alten Wände voller Zierrat, man gab der nunmehr lichten Eingangshalle ein Dach aus Glas und fügte geschickt einen Ausstellungspavillon für asiatische Kunst ein. Die Treppenhäuser haben ihren noblen Kathedralen-Charakter wieder.

Und wenn der Eröffnungssturm vorbei ist, in ein, zwei Jahren, soll auch die „Nachtwache“ gründlich renoviert werden. Auch hier plant das Rijksmuseum Neues: Die Restaurierung soll unter den Augen der Besucher geschehen. Sie haben ja nun lange genug auf Kapitän Banning und seine Kumpanen verzichten müssen.