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Martin Walsers neue Novelle „Mein Jenseits“ - eine Enttäuschung. .

Berge besteigen,
die es nicht gibt

Nun arbeitet sich Walser (82) mit seinem neuen Buch „Mein Jenseits“ am Glauben ab. Wiederum mit Instinkt für den Zeitgeist. Doch es geht in dieser schmalen Novelle nicht um das Comeback der Religionen in der Politik, sondern um Augustin Feinlein, Chef einer psychiatrischen Klinik, der seit Jahren schon 63 ist, weil er „aufgehört hat zu zählen“. Wir folgen Feinlein nach Rom, das er „mein Jenseits“ nennt. Im Touristen-Paradies sucht er die menschliche Erfahrung jenseits des Wissens. Das bringt ihn zu schönen Sätzen wie „Glauben heißt, Berge besteigen, die es nicht gibt“. Oder: „Glauben lernt man nur, wenn einem nichts anderes übrig bleibt.“ Was nichts daran ändert, dass es zu spät ist, wenn man dran glauben muss.

Augustin Feinlein ist, wie fast jeder Walser-Held, ein Mensch am Rande des Ich-Zusammenbruchs. Er laboriert daran, dass Eva Maria, die Liebe seines Lebens, ihn doppelt verschmäht hat: beim ersten Mal als Studentin, die es vorzog einen Grafen und sein Schloss zu heiraten – und dann, als Witwe, ehelichte sie ausgerechnet Feinleins Stellvertreter, den erheblich jüngeren Dr. Bruderhofer, der unablässig versucht, seinen Chef von der Klinik-Spitze zu verdrängen. Jedenfalls glaubt Feinlein das. Und er glaubt an Reliquien. Deshalb lässt er, wie zum verzweifelten Liebes- und Lebenstrost, in der Kirche von Letzlingen (ein eher un­subtiler Namenskalauer) die Monstranz samt Heiligblut-Reliquie mitgehen. So wird der Chef der Nervenklinik zum Patienten. Und bleibt ein seltsamer Typ, von wenig Belang und so abstrus wie seine ganze Geschichte.

Vielleicht sieht man es bei Walsers Hausverlag Rowohlt ganz gern, dass der (teure) Band im Haus des ehemaligen Suhrkamp-Verlagsleiters Gottfried Honnefelder erschienen ist. Auf den großen Walser-Wurf zum Glauben wird man jedenfalls noch warten müssen. Im Herbst soll der Roman „Muttersohn“ erscheinen. Bei Rowohlt.