Udo Lindenberg (65) rockt seit einem halben Jahrhundert. Vor 42 Jahren hat er seine erste Band gegründet („Free Orbit“). Er hat 46 Alben veröffentlicht, Bücher geschrieben, in Filmen gespielt. Und er hat die deutsche Sprache mit dem Rock vereint.
Als ich (53) meiner Tochter (16) erzählte, dass wir in der „Geschichte des Rock“ Udo Lindenberg vorstellen, erntete ich als Reaktion eine Melange aus Unverständnis und Verachtung. Dieser alte Mann mit dem Hut-und-dunkle-Brille-Outfit? Der mit den merkwürdigen Sprüchen? Der in Berlin als Stoff für ein Touristen-Musical dient? Und seine Gemälde als „Likörelle“ verkauft, weil sie angeblich mit Likör gepinselt sind. „Der Typ ist doch peinlich!“
Eine 16-Jährige mag das so sehen. Aber Udo Lindenberg (65) rockt seit einem halben Jahrhundert. Vor 42 Jahren hat er seine erste Band gegründet („Free Orbit“). Er hat 46 Alben veröffentlicht, Bücher geschrieben, in Filmen gespielt. Eine deutsche Karriere.
Und warum ist Lindenberg ein Großer? Weil er die Rockmusik mit der deutschen Sprache vereint hat. Rock war englisch, deutsch war der Schlager. „Ich fang für Euch den Sonnenschein“, singt Tony Marshall 1972, Chris Roberts tiriliert „Mein Schatz, du bist ‘ne Wucht!“ Plötzlich kommt Lindenberg mit knackigem Rock und einer völlig neuen Art von Texten. Alltagsgeschichten. Schnoddrig, lässig und mit großem Sprachtalent erzählt.
Durchbruch mit der „Andrea Doria“
„Daumen im Wind“ (1972) bleibt ein Insider-Tip. „Andrea Doria“ (1973) bringt den Durchbruch und dem gelernten Schlagzeuger als erstem Deutsch-Rocker einen Millionenvertrag. „Ball Pompös“ (1974) wird zur LP des Jahres. Kunstfiguren wie „Rudi Ratlos“ oder „Bodo Ballermann“ schleichen sich in die Alltagssprache – ebenso wie „Keine Panik!“ oder „Panik-Orchester“, der Name der Band.
Er singt über Jugend, ihre Ausbrüche und Sehnsüchte. Über Frauen, Liebe und Beziehungen. Über Alkohol und Drogen. Und über Politik. Lindenberg – ein Sozialdemokrat, der schon mal bei Ex-Kanzler Gerd Schröder zum Geburtstag singt – war der Erste, der die breite Masse mit politischen Inhalten erreichte: Umweltzerstörung, Unrecht gegenüber der dritten Welt, Kriegsgefahr durch nukleare Aufrüstung. Während Bands wie Ton, Steine, Scherben oder Floh de Cologne in kleinen Nischen agitierten, erreichte der „Panik-Professor“ Lehrlinge, Gymnasiasten und Studenten. Er mahnte zur Toleranz gegenüber Minderheiten, seine Appelle gegen Neonazis drangen in mehr Köpfe als alle amtlichen Schriften zur politischen Bildung.
Das Bundesverdienstkreuz für Ost-West-Dialog
Übrigens hat Lindenberg 1989 das Bundesverdienstkreuz am Bande bekommen: Für seine Bemühungen um die Verständigung zwischen Ost und West. Udo Lindenberg hatte viele Fans in der DDR und forderte schon 1976 („Rock’n’Roll-Arena in Jena“) die Genehmigung für eine Tournee durch Ostdeutschland. Im Oktober 1983 durfte er – nachdem der „Sonderzug nach Pankow“ sein bislang größter Hit geworden war – im Ostberliner Palast der Republik auftreten, aber eine für 1984 geplante Konzertreise sagte die DDR-Regierung ab.
1987 traf Lindenberg den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, als dieser zum ersten Mal die Bundesrepublik besuchte: In Wuppertal schenkte der lockere Rocker dem steifen Kommunisten Lederjacke und Gitarre, aber auf eine Tournee durch die DDR musste er bis nach dem Mauerfall (1990) warten. „Ich wusste immer: Die Scheißmauer bleibt auch nicht ewig stehen“, hat der Panik-Chef später gesagt: „Die ist sowas von krank, völlig absurd, geht nicht.“
Und dann erschien Ende März 2008 „Stark wie zwei“, das erste Studioalbum seit 2000. Es wurde die erste Lindi-LP, die Platz 1 der Charts erreichte. Fans und Kritiker fanden es schier unglaublich, dass jemand nach 20 Jahren scheinbarer Abwesenheit eine solch kreative, kraftvolle und moderne Platte vorlegt. Offensichtlich war Lindenberg gut beraten, sich bei Musik und Text helfen zu lassen – von Rapper Jan Delay, Jazzer Till Brönner und Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß.
Ein Highlight des Albums ist der Song „Mein Ding“. „Ich geh meinen Weg, ob grade, ob schräg, das ist egal“, singt Udo Lindenberg über sich und sein Leben: „Was die Schwachmaten einem so raten, das ist egal. Ich mach mein Ding.“
Die Charts des Jahres:
Nicht mehr die Künstler stehen 2008 im Blickpunkt, es sind die Produzenten. Und so wird die Nummer eins der deutschen Jahrescharts zwar von One Republic eingespielt, Produzentengott Timbaland aber präsentiert das Ganze. In den Album-Charts steht eine Frau ganz oben: Amy Winehouse mit „Back To Black“.
1.Timbaland pres. One Republic: Apologize
2.Leona Lewis: Bleeding Love
3.Kid Rock: All Summer Long
4.Schnuffel: Kuschelsong
5.Katy Perry: I Kissed A Girl
6.Duffy: Mercy
7.Ich + ich: So soll es bleiben
8.Amy MacDonald: This Is The Life
9.Madonna & Justin Timberlake: 4 Minutes
10.Gabriella Cilmi: Sweet About Me
(Quelle: media control)