Berlin. Im Februar feiert die Berlinale 70. Geburtstag, doch die neue Doppelspitze hat Probleme: Es fehlen Sponsoren und Kino-Säle. Wie es weitergeht.
Früher war alles besser? Im Fall des viel gescholtenen Berlinale-Direktors Dieter Kosslick, der im Vorjahr nach 18 Dienstjahren unfreiwillig das Feld räumen musste, könnte sich das bewahrheiten. Gut drei Monate vor Festival-Beginn am 20. Februar stehen dem weltweit größten Publikumsfestival, der 70-sten Berlinale, Probleme ins Haus.
Die neue Doppelspitze mit dem einstigen Locarno-Chef Carlo Chatrion als künstlerischem Leiter sowie der ehemaligen Film-Lobbyistin Mariette Rissenbeek als kaufmännischer Geschäftsführerin hätte sich den Einstand vermutlich einfacher gewünscht. Wichtige Kinos und Sponsoren sind weggebrochen, Krisenmanagement gehört nun zu den Geburtstagsvorbereitungen.
Eine Spielfläche in zentraler Lage fehlt: das „Cinestar“-Multiplex im Sony-Center
Beim „Cinestar“-Multiplex im Sony-Center mit neun Sälen und immerhin über 2500 Sitzplätzen fällt bereits zum Jahresende endgültig der letzte Vorhang, womit eine bedeutende Spielfläche in zentraler Lage für das Festival fehlt: Die Sektionen „Panorama“ und „Forum“ hatten hier ihre Heimat. Auch der Berlinale Palast am Marlene-Dietrich-Platz, wo die Stars im Blitzlichtgewitter über den Roten Teppich stolzieren, steht nur noch eingeschränkt zur Verfügung. Im Untergeschoss des Gebäudes, das außerhalb der Filmfest-Saison als Musical-Theater dient, soll im Januar die Stripper-Show „Magic Mike“ einziehen. Die Wettbewerb-Vorstellungen im Hauptsaal bleiben davon zwar unberührt, für den traditionell in den Katakomben stattfindenden Eröffnungsempfang könnte es zum 70-sten Jubiläum freilich eng werden.
Die Vorfreude vergällt haben dürfte den Organisatoren auch der Wegfall von zwei langjährigen Hauptsponsoren. Ein chinesischer Juwelier sowie ein deutscher Luxus-Uhren-Hersteller sind abgesprungen. Für den von „Glashütte“ vor zwei Jahren mit stolzen 50.000 Euro gestifteten Dokumentarfilmpreis wurde jüngst Ersatz gefunden, als Stifter springt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ein, der sich zudem als Ko-Partner engagieren will. Was Hauptsponsor ZDF von der neuen öffentlich-rechtlichen Konkurrenz hält, bleibt abzuwarten. Mit anderen Sponsoren-Kandidaten gäbe es Gespräche, lässt das Festival verlauten.
Mit dem „Systemsprenger“ im Vorjahr gelang Dieter Kosslick ein veritabler Coup
Bei den kommenden Kandidaten für das Bären-Rennen darf man gespannt sein, wie gut die neuen kreativen Besen kehren. Mit dem „Systemsprenger“ im Vorjahr gelang Dieter Kosslick ein veritabler Coup, eine wahres Festival-Wunder, das die künftige Wettbewerb-Messlatte für die Nachfolger ziemlich hochlegt: Trotz sperrigem Thema avanciert das Drama um ein störrisches Kind aktuell zum unerwarteten Publikumsliebling in den Kinos. Gepolstert mit glänzenden Kritiken, hat der deutsche Oscar-Kandidat realistische Chancen, bei der cineastischen Krönungsmesse der Traumfabrik im Februar zum Gewinner gekürt zu werden.
Über das Programm der Jubiläumsausgabe lässt sich derzeit nur spekulieren. Als bärenstarke Hoffnungsträger aus deutschen Landen könnten bewährte Klassiker in neuem Kleide dienen. Zum einen das aktualisierte Remake von „Berlin Alexanderplatz“ von Burhan Qurbani mit einem Flüchtling als Helden, der angefeindet wird. Zum anderen die Verfilmung von „Narziss und Goldmund“ des österreichischen Oscar-Preistrtägers Stefan Ruzowitzky. Zwischen Hass und Hesse könnte der Festival-Geburtstag vielversprechend werden.
Wenn Netflix-Filme zugelassen werden, dürfte die Kino-Branche toben
Auf die künftige Berlinale-Haltung zu Netflix und Co. darf man gespannt sein. Ein stures weiter so à la Cannes, das Streamingdienste ausschließt, ist kaum zukunftsfähig. Umgekehrt dürfte bei der Zulassung zum Bären-Rennen die Kino-Branche toben. Der ehemalige Festival-Direktor konnte bei dieser Frage noch herumeiern, auf geplante Kinostarts verweisen, die freilich in den Sternen standen. Das neue Berlinale-Duo wird klar Farbe bekennen müssen – neben der Suche nach neuen Kinos und Sponsoren.