Rees.. Das als „bestes kleines Festival in Europa“ ausgezeichnete Open Air am Niederrhein begeisterte nun schon zum 29. Mal. Rund 50 Bands spielten auf sechs Bühnen. Nach der Invasion der Folkies waren nun wieder mehr Soul- und Blues-Einflüsse spürbar.


„Wie dekadent ist das denn“, fragte Festivalbesucher Gert Rompel aus Emmerich am Samstagnachmittag, nachdem er erfahren hatte, dass der deutsche Singer-Songwriter Philipp Poisel in der Pop-Bar mitten im Dorf Haldern bei Rees ein Überraschungskonzert gegeben hatte. Schon zum Start des Festivals hatte die Chemnitzer Band „Kraftklub“ – ebenfalls ohne Vorankündigung – für kollektives Abzappeln gesorgt. Jeder andere Veranstalter hätte diese beiden Namen vermutlich groß auf seine Plakate geschrieben. Nicht so Haldern Pop.

Denn das als „bestes kleines Festival in Europa“ ausgezeichnete Open Air am Niederrhein hat Werbung mit großen Namen gar nicht mehr nötig. Die zur Verfügung stehenden 6500 Tickets waren bereits am Anfang des Jahres vergriffen, ohne dass überhaupt bekannt war, wer auf dem Reithof aufspielen würde. Auch in diesem Jahr wurde das Vertrauen des Publikums in die Urteilskraft der Veranstalter wieder belohnt. An den drei Festivaltagen wurde von rund 50 Gruppen und Künstlern auf sechs verschiedenen Bühnen ein Querschnitt durch die moderne Pop-Musik geboten, in dem sich jeder Besucher irgendwann wiederfinden konnte.

Der größte gemeinsame Nenner auf dem Haldern-Pop-Festival: der Hamburger Thees Uhlmann. Foto: Thorsten Lindekamp / WAZ FotoPool
Der größte gemeinsame Nenner auf dem Haldern-Pop-Festival: der Hamburger Thees Uhlmann. Foto: Thorsten Lindekamp / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool





Offensichtlich ist, dass nach der Invasion der Folkies wieder mehr Soul- und Blues-Einflüsse spürbar werden. Gleich am ersten Abend standen mit Willis Earl Beal, Charles Bradley und dem erst 22-jährigen Engländer Jamie N Commons drei Künstler auf der Bühne, die sich der schwarzen Musik verschrieben haben. Insbesondere Commons wusste zu überzeugen. Mit straßenschotterrauher, blues- und bourbongetränkter Stimme, irgendwo zwischen Willy de Ville, Nick Cave und Tom Waits, sang er sich durch sein knappes Repertoire. Bisher steht lediglich die sechs Songs umfassende EP „The Baron“ zum Download bereit. Commons wäre nicht der erste Künstler, dessen Stern beim Haldern Pop aufgeht. Im vergangenen Jahr wusste Ben Howard an gleicher Stelle zu gefallen. Und kam in diesem Jahr prompt wieder – auf die Hauptbühne mit einem Top Ten-Album in England im Gepäck.


Wenn eine Band aber die Massen in Bewegung brachte, dann waren es die Nordiren Two Door Cinema Club, die am Freitagabend zur besten Abendzeit rockten. Ihren tanzbaren Elektro-Pop spielten sie live wesentlich gitarrenlastiger und flotter. Am frühen Abend hatte schon Thees Uhlmann als „größter gemeinsamer Nenner“ der versammelten Indie-Pop-Gemeinde für Begeisterung gesorgt.

Der Samstag dagegen blieb den Amerikanern vorbehalten. Die reformierten Grant Lee Buffalo spielten am Nachmittag grandios auf. Düstermann Greg Dulli schaute – wie zuletzt 1996 – wieder mit seinen Afghan Whigs-Kumpanen vorbei und Wilco sorgten mit ihrer gigantischen Gitarrensammlung und hochkomplexen Songstrukturen für einen stimmungsvollen Schlusspunkt.