Essen. Corona, Trennung oder Job-Verlust – Resilienz-Trainerin Katja Michalek erklärt, wie man in sieben Schritten eine Krise besser übersteht.

Auf einmal ist das Leben nicht mehr so wie zuvor, weil man seine Arbeit verliert, der Partner einen verlässt oder die Corona-Regeln den Alltag auf den Kopf stellen. Während die einen daran verzweifeln, jammern oder in Schockstarre verfallen, machen die anderen das Beste daraus, erkennen und gehen neue Wege. Warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf unerwartete Veränderungen? „Das hat viel mit der Resilienz zu tun“, sagt Trainerin Katja Michalek, also mit der mentalen Widerstandskraft. Je nachdem, wie stark sie ausgeprägt ist, meistern Menschen mehr oder weniger gut eine Krise.

Katja Michalek aus Essen ist Trainerin, Autorin und Speakerin zum Thema Resilienz.
Katja Michalek aus Essen ist Trainerin, Autorin und Speakerin zum Thema Resilienz. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Natürlich haben es Leute, die grundsätzlich Neuem gegenüber aufgeschlossen sind, leichter. Aber auch Menschen, die Veränderungen scheuen, müssen sich nicht ausgeliefert fühlen, so die Essenerin. Denn Resilienz sei eine Kombination von Fähigkeiten, die sich auch trainieren lassen – selbst wenn man mitten in der Krise steckt.

Die 46-Jährige hat einen Sieben-Schritte-Plan entwickelt, der dabei helfen kann. Die Autorin von Resilienz-Büchern erklärt die Punkte am Beispiel der Corona-Krise. „Aber der Plan ist für jede Situation im Leben gedacht, wo es nicht so läuft, wie man es sich vorstellt.“ Michalek empfiehlt: „Gehen Sie diese sieben Schritte, wenn Sie in Panik geraten, und entscheiden Sie sich erst danach für eine Handlung.“

Schritt 1: Impulskontrolle

„Wenn ein geliebter Mensch einen verlässt, möchte man ihm im ersten Moment vielleicht die Augen aus- oder zumindest den Wagen zerkratzen“, so Katja Michalek. Auch in der Corona-Krise gibt es solche Impulse, aus der Haut zu fahren, Streit anzufangen. Oder beim Anblick von Mehl-Nachschub im Supermarkt, den 25-Kilo-Sack in den Einkaufswagen zu hieven.

In diesem Moment geht es darum, diesem ersten Impuls nicht zu folgen. Vielleicht hilft es, zunächst die weiteren Einkäufe zu erledigen und zu überlegen: „Wie viel Brot backe ich wirklich? Kann ich überhaupt Brot backen? Kann ich mit so viel Mehl etwas anfangen, wenn ich gar keine Hefe habe?“ Also sich vor Augen führen, ergibt das einen Sinn, was ich in diesem Moment machen möchte?

Schritt 2: Emotionssteuerung

Der erste und der zweite Schritt hängen eng zusammen: die Gefühle zu hinterfragen, die diesen Impuls auslösen. Was könnte es sein? Unsicherheit oder Angst? Aber wovor? Angst zu verhungern? Wo kommt das Gefühl her? Die meisten Menschen in Deutschland sind schließlich nicht in Mangel groß geworden und auch heute sind die Supermärkte gut gefüllt mit Lebensmitteln.

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Aber: „Manchmal kommen solche Emotionen hoch, weil wir gesehen haben, wie unsere Großmutter gehortet hat, weil sie im Krieg Hunger erlitten hat“, so Katja Michalek. Sie empfiehlt zunächst zu versuchen, den Kopf frei zu kriegen. „Eine Runde spazieren gehen, Musik hören, erstmal bessere Laune, gute Gefühle bekommen. Und dann kann es helfen, mir noch mal die Angst anzugucken und zu analysieren: Wie real ist die Angst? Wie groß ist die Gefahr wirklich?“

Schritt 3: Empathie

Im nächsten Schritt geht es darum, sich einzufühlen. Einerseits Verständnis für sich selbst aufzubringen, so Katja Michalek: „Wenn man jetzt doch den 25-Kilo-Sack Mehl gekauft hat, obwohl man sich eigentlich für einen besonnenen Menschen hält. Dann nicht mit sich schimpfen, sondern sich selbst sagen: Okay, da ist halt die Angst offensichtlich mit mir durchgegangen, aber ich verurteile mich nicht. Ich bin da ein bisschen lieb mit mir und verteile das Mehl einfach an die Nachbarn.“

Eltern sind Vorbilder in der Krise

Wie wir eine Krise meistern, ist nicht nur eine Frage des Charakters oder Trainings, es hat auch damit zu tun, was wir als Kind erlebt haben, wie unsere Eltern mit Problemen umgegangen sind. „Die Eltern sind gerade jetzt in der Corona-Krise als Vorbilder gefragt“, betont Katja Michalek, selbst Mutter von zwei Söhnen. „Lernen unsere Kinder, dass wir den Kopf in den Sand stecken und nur rumschimpfen, wenn etwas schiefgeht? Oder ergreifen wir die Initiative und versuchen, das Beste daraus zu machen, indem wir die Zeit gemeinsam genießen und Lösungen finden.“

Man sollte aufpassen, mit welchen Leuten man sich umgibt, rät Katja Michalek darüber hinaus. Schwarzmaler ziehen einen noch weiter runter. Besser sind Menschen, die zuversichtlich sind und Chancen erkennen.

Andererseits ginge es darum, sich in andere einzufühlen, wenn Menschen etwa Hamsterkäufe tätigen. „Warum machen sie das?“ Selbst wenn man den Grund für dieses Verhalten nicht versteht, könne man ja denken: „Es ist zwar nicht toll, was sie gemacht haben, aber aus deren Sicht war das wohl die einzige Lösung.“ Das helfe dabei, sich nicht die ganze Zeit über andere aufzuregen und nicht in einer negativen Gedankenspirale zu landen. „Je mehr wir in negativen Gedanken verhaftet sind, desto weniger können wir Lösungen finden.“

Schritt 4: Selbstwirksamkeit

„Es hilft uns in einer Krise, wenn wir aktiv werden, wenn wir das Gefühl haben, wir können etwas an der Situation ändern.“ In der Corona-Krise ist dieser Punkt besonders herausfordernd. „Diese gefühlte Hilflosigkeit, wir können ja nur zu Hause sitzen, macht es für viele schwierig“, sagt Katja Michalek. Aber auch zurzeit sei es möglich, aktiv zu werden. „Kannst du etwas besonders gut, was jemandem in der jetzigen Situation hilft? Hast du vielleicht eine beruhigende Wirkung auf Menschen? Oder freuen sich die älteren Nachbarn, wenn du für sie einkaufst?“, zählt Katja Michalek Möglichkeiten auf. Oder man nutzt die Zeit, um sich für später zu wappnen: Wie kann ich mich besser vor einer nächsten Krise schützen? Damit sind wir bei:

Schritt 5: Zielorientierung

Statt zu Hause schlecht gelaunt zu sitzen, weil man zurzeit seiner Arbeit nicht nachgehen kann oder alle Aktivitäten wie Sport und Kultur wegfallen, kann man sich neue Ziele setzen. Könnte die eigene Wohnung mal wieder einen Anstrich vertragen? Oder es ist jetzt die richtige Zeit, mit dem Training für einen Marathon anzufangen, die Natur vor der Haustür zu erwandern, ein dickes Buch zu lesen.

Vielleicht erkennt man auch Vorteile, die man sich für die Zukunft wünscht: für die Umwelt, für ein hilfsbereites Miteinander. Hat man die Digitalisierung vielleicht zuvor gefürchtet, lernt man sie jetzt zu schätzen. Katja Michalek: „Gefällt es mir sogar, im Homeoffice zu arbeiten, was vor Corona vielleicht in der Firma nicht möglich war? Empfinde ich das als Chance? Und wo zeigt sich jetzt, wie wichtig trotz Digitalisierung auch der persönliche Kontakt ist?“

Schritt 6: Kausalanalyse

„Das ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion“, erklärt Katja Michalek diesen Schritt. Wie ist es zur Krise gekommen? Und was ist mein Anteil daran? Im Fall von Corona ist es müßig, Antworten zu finden. „Da ist man schnell bei Verschwörungstheorien.“ Aber im Kleinen könne man schauen: „Wie habe ich mich bis jetzt in der Krise verhalten? Habe ich mich an die Vorsichtsmaßnahmen gehalten? Habe ich meinen Teil dazu beigetragen, dass es nicht zur Panik kam? Oder war ich unvorsichtig in dem, was ich erzählt oder geteilt habe?“ Schließlich könne jeder dazu beitragen, dass die Krise nicht schlimmer wird.

Schritt 7: Optimismus

Der letzte Schritt, um gut durch die Krise zu kommen, ist die Zuversicht. „Das Vertrauen darauf, dass es im Endeffekt doch gut gehen wird.“ Dabei helfe in der Corona-Zeit auch ein Blick auf andere Länder und das vergleichsweise gute Gesundheitssystem in Deutschland und die bereits getroffenen Maßnahmen. „Die Gesellschaft und das Leben verändern sich, aber das muss nicht zwangsläufig negativ sein“, betont Katja Michalek. „Es kann auch besser werden.“