Salzburg. Mancher sah in der Rückkehr Rolando Villazóns die Chance, den gesunkenen Tenorstern neu zu preisen. Aber der Auftritt des fröhlichen Mexikaners konnte nicht die erhoffte Strahlkraft verbreiten. Außerdem zur Eröffnung der berühmten Salzburger Festspiele: zeitgenössische Oper mit einem seltsamen Besuch von Joseph Beuys.
Zeitgenössisch und herausfordernd sollte seine zweite und bereits vorletzte Saison als Festspielchef eröffnet werden. Fraglich ist aber, ob Pereira, auf dem Sprung auf den Chefsessel der Mailänder Scala, damit den Vorwurf entkräften kann, die teuersten und längsten Festspiele der Welt würden unter ihm noch kommerzieller als eh schon.
Prominenz flaniert zwar nach wie vor über den Roten Teppich – die Westerwelles, Porsches, Piechs, Auerspergs und Hardenbergs, allerdings erst bei der zweiten, lukullischen Premiere, Mozarts „Lucio Silla“, mit der Rolando Villazón sein Comeback feiern wollte.
Weniger bei der 1990 uraufgeführten Oper „Gawain“ von Harrison Birtwistle. So viel Endzeitstimmung, bleierne Schwere und kraftstrotzende Musik wie in diesem Opus tut sich schwer im mit Sahara-Temperaturen aufgeheizten Salzburg. Folge: Freundlich flauer Applaus. Zumal Regisseur Alvis Hermanis (bekannt auch durch Theater-Experimente bei der Ruhrtriennale) den Titelhelden als Beuys auftreten lässt und nichts mit alten Ritterwelten im Sinn hat.
Selbsterfahrungs-Trip
Um Letzteres geht es aber Birtwistle, der die Läuterung des heldenhaften Gawain im Jahr 2021 spielen lässt. Der Ritter der Artus-Runde geht auf Selbsterfahrungs-Trip: Bei einem Mahl begegnet er dem Grünen Ritter, der wünscht, man möge ihm den Kopf abschlagen. Den Täter ereile später das gleiche Schicksal. Gawain lässt sich darauf ein. Am Ende verliert der strahlende Held seine übermenschliche Kraft und wird wieder Mensch.
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Hermanis verlegt diesen Läuterungsprozess in eine Zeit, in der menschliche Zivilisation von Naturkatastrophe besiegt wurde. Autofriedhof und Betonwelten sind von Moos überwuchert, Gawain mutiert zu Joseph Beuys, der sich mit Filzhut, Fliegerweste und Schlitten auf die Suche nach dem Grünen Ritter macht.
Ein Rätsel bleibt, was diese mit Kunstzitaten überfrachtete Hymne auf Beuys mit „Gawain“ zu tun hat. Musikalisch gelingt es dem ORF-Orchester und Ingo Metzmacher, die mit Schlagwerk-Batterien aufgeladene und aggressive Klangwelt zu formen. Doch nach dreieinhalb Stunden ist das feine Publikum ermattet.
Wenig überzeugende Regie
Wenig überzeugend auch die Regie in der Opera Seria aus der Feder des 15-jährigen Mozart. Menschenverachtend entscheidet darin der römische Diktator Lucio Silla auch in Liebesfragen. Die bei Mozart angelegten Fragen nach Willkür, Diktatur und Widerstand lässt Regisseur Marshall Pynkoski außen vor, setzt auf vordergründige Psychologie und zorniges Rasen in belanglos historisierendem Säulen-Tempel.
Tenor, permanent unter Strom
Auf Festspielniveau sind zwar die koloratursicheren Soprane, wie Olga Peretyatko und Marianne Crebassa, und das vorwärts drängende, peitschende Turbo-Spiel der Musiciens du Louvre Grenoble unter Marc Minkowski. Doch was war mit Rolando Villazón, dem einstigen Traum-Tenor-Partner von Anna Netrebko? Der Sympathieträger, der heute nebenbei als Clown arbeitet, steht als Silla permanent unter Strom, gestikuliert wild, rettet sich manchmal in Sprechgesang, wird fast zur Karikatur seiner selbst.
In der Mittellage singt er sicher, seine Stimme klingt fast baritonal. Die spärlichen Höhen kann er aber nicht erzwingen, tippt nur kurz hohe Register an, müht sich nach Kräften. Doch Kraft und Glanz des Star-Tenors sind verschwunden. Der begeisterte Jubel galt eher der Gesamtleistung, wohl auch dem Mut Villazóns, sich in Salzburg zu stellen.
Infos und Tickets: Tel. 0043/ 662/ 8045 500, www.salzburgfestival.at