Essen. Einmal Emanzipation und zurück: über das Comeback zurecht vergessener Rollenmuster. Vom Glück des Stillens, abgestürzten Märchenprinzen und der ewigen Sehnsucht, nach der guten alten Zeit.
Vor einigen Tagen kam ein schlankes Büchlein zu mir. Eva Hermans neuestes Werk: „Das Überlebensprinzip – Warum wir die Schöpfung nicht täuschen können“. Das Buch gibt ein Interview des Publizisten Friedrich Hänssler mit der ehemaligen Tagesschausprecherin Eva Herman wieder - und es geht um alles.
Wenn Frauen Mütter werden
50 Jahre Gleichberechtigung liegen hinter uns. Lange haben wir auf eine Erweckungsschrift gewartet, die uns zeigt was es heißt, wieder ganz Frau zu sein. Karriere, Selbstbestimmung, Emanzipation: nichts davon ist hilfreich, uns wieder ganz Weib, ganz Mutter sein zu lassen. Eva weiß, was Männer wünschen und Frauen auch, wenn Sie nur auf ihren Schöpfer hören würden. In einem Kapitel „Vom Glück des Stillens“ erfahren wir, dass langes Stillen das Tragen einer Zahnspange überflüssig macht. Endlich ein Punkt an dem ich mich kompetent fühle und sicher sagen kann: nicht richtig. Es sei denn, langes Stillen definiert sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren.
Wir leben in einer Zwischenzeit, in der es kaum noch eindeutige Rollenverständnisse und Rollenverhältnisse gibt. Demnach auch nicht in Bezug auf die "Rolle der Frau". Was die einen beklagen mögen, könnte auch als eine Chance zur Weiterentwicklung des Geschlechterverhältnisses verstanden werden.
Der Märchenprinz ist vom Pferd gefallen
Die Sehnsucht nach einem Erlöser, der alles wieder gut macht, und in dessen rosa-watte-gepolsterten Schoß wir uns mit unserem nicht mehr vorhandenen Urvertrauen fallen lassen können, mag nachvollziehbar sein. Die Versorgungsehe ist aber, nicht nur wegen der bekannten Scheidungsraten, ein unkalkulierbares Risiko geworden. Auch und gerade die Situation auf dem Arbeitsmarkt, die den „Versorger“ eventuell ganz seiner Funktion beraubt, tut ihr Übriges.
Leben ist Anstrengung und Herausforderung, insbesondere mit Kindern. Allerdings nicht immer so anstrengend, wie die 176 Seiten des Buches von Eva Herman, die aber sicher ihren Weg machen und auf fruchtbaren Boden fallen werden.
Viele von uns, aber längst nicht alle, haben nur eine bedingte Wahl im Leben. Dies sollte als Chance verstanden und ergriffen werden. Freiheit ist anstrengend. Der Traum vom Märchenprinzen mag schön sein, ist aber ausgeträumt. Männer sind weder die Prinzen auf dem weißen Pferd, noch sind Frauen Aschenputtel, denen nur der richtige Schuh fehlt, um sich in eine Prinzessin zu verwandeln.
Die gute, alte Zeit – wann war sie nur?
Herman würde gerne in ihrem Buch den historischen Bogen in eine Zeit schlagen, die für alle nur Gutes bereit hielt. Als Männer, Frauen und Kinder ihre vom Schöpfer vorherbestimmten Rollen kannten, danach handelten und lebten – und alles war gut. Allein der beispielhafte Blick auf die Geschichte der Kindheit zeigt, dass es diese Zeit nie gab.
Der französische Historiker Phillip Ariès kam in seinem Werk über die Geschichte der Kindheit zu dem Schluss, dass Kindheit besonders ursprünglich zu Zeiten des Mittelalters gewesen sei, da sich hier noch keine degenerierenden pädagogischen Institutionen in die Erziehung (insbesondere die Schule) eingemischt hätten. Betrachtet man das Nichtverhältnis und –verständnis des mittelalterlichen Menschen gegenüber einer Idee von Kindheit als schützenswerter Lebensphase, kann man heute auch zu einem völlig anderen Ergebnis kommen. Das gilt auch für Frauen und Männer und ihren Platz in der Gesellschaft.
Der eine oder die andere mag das bedauerlich finden, aber wie so oft gilt...
... ach, daß es noch wie damals wär!Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!
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