Essen. Marteria ist in seiner Freizeit am liebsten in der Natur. Warum das ganz gut ins trubelige Musikbusiness passt, erklärt der Rapper im Interview.
Gerade noch musste sich Marteria in der Spielshow „Schlag den Star“ Schauspieler Frederick Lau geschlagen geben – aber eigentlich kann Marten Laciny, wie der Rapper eigentlich heißt, nichts die Laune verderben. Schließlich darf der 39-Jährige nach rund zwei Jahren Zwangspause endlich wieder auf die Bühne. Am 21.5. spielt er als Headliner des neuen 1Live-Events „Absolut Sektor“im Dortmunder Junkyard (ausverkauft). Mitte des Jahres startet seine „Vollkontakt“-Tour, die ihn im Dezember auch in die Region führt. Maxi Strauch sprach mit Marteria über das Finden von Glück, seinen 14-jährigen Sohn und die Beziehung zu Toten-Hosen-Frontmann Campino.
Sie stehen endlich wieder auf der Bühne. Wie geht’s Ihnen damit?
Marteria: Es ist unbeschreiblich schön, dass es wieder losgeht. Durch die Corona-Maßnahmen ist die Musikszene und -industrie wirklich am Arsch gewesen. Es tut mir unfassbar leid um so viele Freunde, Künstler und Leute, die in diesem Job arbeiten. Aber jetzt geht’s anscheinend wieder auf die große Bühne. Kann man gar nicht so richtig glauben. Auf der einen Seite denkt man, man hat alles verlernt, als wenn man nach langer Zeit wieder Fahrrad fahren müsste.
Zum Glück verlernt man Fahrradfahren ja nie.
Genau, man verlernt es eben nicht. Und deshalb hat man einfach eine tierische Vorfreude. Wenn das jetzt wirklich losgeht und dann das erste kleine Konzert gespielt ist, dann ist es schon sehr überwältigend. Ich habe ja auch eine Platte in der Zeit gemacht, die ich nicht live spielen konnte. Eine Platte, wo es ums Feiern geht und ums Tanzen.
„5. Dimension“ kam schon im Oktober raus. Gibt es ein Lied, auf das Sie sich besonders freuen, es endlich live zu performen?
Es ist nicht nur ein Lied, sondern schon die ganze Platte, die neuen Songs, die ich noch nie live spielen konnte. Die Platte ist ein bisschen weg vom Hip Hop, weil ich das immer schon mal machen wollte. Die hat mehr Dance-Charakter. Ich freue mich einfach darauf, den Leuten zeigen zu können, wie deep die Platte trotz dieser „Dancehaftigkeit“ ist. Ich bin gespannt, wie die Leute das annehmen.
Bis dahin vertreiben Sie sich die Zeit in der Natur und lassen daran auch Ihre Instagram-Follower teilhaben. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich so über Morcheln freut.
Wie? Die Morchel ist ein heiliger Pilz. Das ist wie Gold finden! Ich konnte es gar nicht glauben … (lacht) Aber ich weiß, worauf das abzielt. Man sucht als Mensch ja nach Glück, egal in welcher Form – Familie, Partnerschaften, Kinder, das Reisen oder ein Hobby. Ich habe die Natur und bin leidenschaftlicher Angler. Ich liebe den Wald und die Berge. Da fühle ich mich frei und das gibt mir sehr viele Glücksmomente.
Das scheint komplett konträr zum trubeligen Musikbusiness …
Ich bin kein Musiker-Musiker. Ich bin in meiner Freizeit nicht in einem Studio und mache Musik. Ich habe noch so viele andere Sachen, die ich liebe. Und das Leben ist so viel größer, als dass man sich auf eine Sache konzentrieren könnte. Dadurch hatte ich auch noch nie sowas wie eine Schreibblockade oder Zweifel. Mir gibt dieses Draußen sein und dieses in der Natur sein total viel. So haben mich meine Eltern erzogen, das ist ein großer Teil von mir.
Passt aber so gar nicht zum knallharten Rapper-Image …
Ich habe dieses knallharte Rapper-Image ja auch noch nie gehabt – zum Glück. Ich liebe Rap-Musik, ich liebe Hip Hop, aber ich bin ein universeller Künstler. Ich habe immer Musikstile und -sounds gemixt. Ich mache lieber einen Song wie „Niemand bringt Marten um“ und rede darüber, dass viele Sachen gefährlich sind – aber hey, du kriegst mich nicht klein. Ich lebe mein Leben als ein Abenteuer und so muss man das Leben angehen, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Und das möchte ich auch an meinen Sohn weitertragen.
Hört Ihr Sohn Ihre Musik?
Na klar. Ich bin nicht der uncoole Vater. Ich glaube auch, dass meine Musik cool ist, die kann man schon hören. Es wäre für ihn als Teenager wahrscheinlich etwas anderes, wenn ich Peter Maffay wäre (lacht). Nichts gegen Maffay, aber da kann es vielleicht schon eher sein, dass ein Kind oder Jugendlicher den Vibe nicht fühlt und sagt: „Ist nicht meine Mukke.“ Aber ich mache Musik, die junge Leute hören …
Sagt er Ihnen denn auch, was gerade angesagt ist?
Natürlich, mein Sohn macht auch leidenschaftlich Musik, schreibt Texte, baut Beats und ist genauso im Musikfieber wie ich das war in seinem Alter. Er findet sich da wieder und findet seine Seele da drin, probiert sich aus und lernt Dinge über sich und seine Persönlichkeit kennen. Das ist ja das Schöne daran: Es geht eben nicht ums Geld, sondern darum, sich zu finden. Es ist ein total schönes Handwerk.
Würden Sie Ihrem Sohn die gleiche Karriere ans Herz legen?
Ich glaube, jeder Mensch findet seinen eigenen Kosmos, indem man sich gerne bewegt. Jeder Mensch hat das Recht, sich selbst zu entwickeln. Man kann manchmal Leute irgendwo hinrücken, aber die Leidenschaft zu der Musik hat er natürlich, weil seine Mutter total gerne Musik hört und sein Vater Musiker ist. Da ist es ein großes Thema. Kann es aber auch sein mit Sport oder man interessiert sich für Biologie ...
Sie haben ein gutes Verhältnis?
Ich bin jetzt auch nicht der Vater, der alles durchgehen lässt, ich bin schon streng. Ich sage so Sachen wie „Ne, finde ich nicht geil, wird nicht gemacht.“ Aber wir können über alle Dinge reden. Und wenn mein Sohn mich fragt: „Was sagst du da in dem Song?“ Da sage ich: „Da haben wir übers Kiffen geredet, weil ich da gekifft habe, mein Sohn.“ Ich finde es falsch, den Kindern eine Lüge aufzutischen.
Zurück zur Musik: Nach „Ballast der Republik“ haben Sie wieder gemeinsame Sache mit den Toten Hosen gemacht („Scheiß Ossis“/„Scheiß Wessis“). Wie passen denn die Düsseldorfer Punkrocker und Marteria zusammen?
Wir passen total gut zusammen! Obwohl das zwei verschiedene Genres sind und man in Deutschland ja immer sein Genre braucht. Das gibt es woanders gar nicht mehr. Ich habe eher einen Zugang zu Musik wie Engländer oder Amis: Egal ob E-Gitarre oder Synthesizer – das macht für mich keinen Unterschied.
Und Sie sind sehr gut mit Campino befreundet?
Er ist einer meiner allerbesten Freunde geworden, wir verbringen zwei-, dreimal im Jahr unsere Urlaube zusammen mit unseren Söhnen und schreiben Musik. Aber da geht es um viel mehr als nur Songs, es geht zuerst um uns als Menschen und um eine Verbrüderung. Es macht mega viel Spaß zusammen rumzuhängen und sich Sachen zu überlegen.
Wie kam das zustande?
Ich habe ein Festival in Berlin gespielt und dann stand auf einmal Campino hinter der Bühne und hat „Hi“ gesagt. Da war ich erstmal perplex. Und dann saßen wir irgendwann im Schneidersitz auf dem Boden und haben angefangen, Lieder zu schreiben. Das war ein sehr angenehmes brüderliches Verhältnis. Es hat gefunkt. Er ist ein unfassbar toller Mensch und auch alle anderen von den Toten Hosen sind einfach sehr auf dem Boden gebliebene, gute Menschen. Und jeder Song von denen ist deutsches Kulturgut. Vielleicht gilt das auch irgendwann für Marteria oder Casper oder Kraftklub …
Ist das Ihr Ziel?
Nein, darüber denke ich nicht nach. Man strengt sich an, den Leuten schöne Songs zu liefern, schöne Musik zu machen. Man muss nicht immer ein Vorbild sein, dafür macht man auch zu viel Scheiße. Ich versuche einfach, ein guter Mensch zu sein und gute Werte zu vertreten. Es ist wichtig, dass man positiv bleibt in dieser Welt des Irrsinns, in der wir uns gerade befinden. Da brauchen wir ziemlich viele Leuchttürme, die den Menschen Halt geben. Und es wäre schön, wenn man davon einer ist.
Marteria – Vollkontakt-Tour 2022, 17.12. Köln (Lanxess), 18.12. Münster (Halle Münsterland). Karten ab ca. 37 €.
Infos zum neuen 1Live-Festival „Absolut Sektor“:1Live, der junge Hörfunksender des Westdeutschen Rundfunks, hat ein neues Festival ins Leben gerufen: Absolut Sektor bringt am kommenden Wochenende (20.+21.5.) bekannte Namen der deutschen Musikszene, Comedians, Podcaster und DJs nach Nordrhein-Westfalen. Darunter Marteria, Zoe Wees, „Beste Freundinnen“ und Dennis aus Hürth. Neuester Zugang: Die Sportfreunde Stiller spielen ihr erstes Radiokonzert nach sechs Jahren Pause im Delta-Musik-Park in Essen (21.5.). Karten gibt es nur im Radio und unter www.1live.de zu gewinnen. In die Region verschlägt es sonst nur DJ Purple Disco Machine, der „Hypnotized“-Verantwortliche legt ebenfalls im Delta auf (21.5., 21 €). Die DJ-Session von Lost Frequencies (Dortmund) ist bereits ausverkauft. Infos zu Auftritten außerhalb der Region unter www.1live.de