Essen. Comedian, Buchautor, Moderator: Bastian Bielendorfer hat auch während Corona viel zu tun. Ein Projekt stach für den Gelsenkirchener aber heraus.

Bastian Bielendorfer gehört wohl zu den meistbeschäftigten deutschen Comedians. Zwei regelmäßig erscheinende Podcasts, eine eigene TV-Show im WDR, weitere Auftritte bei Pro7 und VOX – und nun darf der gebürtige Gelsenkirchener und Wahl-Kölner auch mit seinem Solo „Lustig, aber wahr“ wieder Auftritte absolvieren. Patrick Friedland sprach mit dem 37-Jährigen über das Programm, sein Wirken im Fernsehen und (un-)erfüllte Träume.

„Lustig, aber wahr“ hatte seine Premiere im Oktober 2018 – was dürfen die Besucher von den kommenden Terminen denn erwarten?

Bastian Bielendorfer: Zwei Stunden Vollgas, viel Humor, ein klein bisschen Rührung und eine Menge Unterhaltung. Natürlich werde ich ein Stück auf das eingehen, was in den letzten anderthalb Jahren passiert ist. Wobei ich noch nicht sicher bin, wie ich das genau anstelle. Auf der anderen Seite haben die Leute natürlich Tickets für ein „Prä-Corona“-Programm gekauft – und das kriegen sie auch. Ich fände es seltsam und ein Stück weit unfair, da jetzt etwas komplett anderes aufzuführen.

Klopapier-Witze bleiben also draußen?

Nicht unbedingt, mal sehen. Ich habe so absurde Situationen erlebt in dieser Zeit, ich könnte eigentlich schon ein eigenes Programm daraus machen. Aber: Ich glaube, den Menschen geht das Thema langsam genau so auf die Nerven wie mir, also kann ich nicht zwei Stunden über Corona reden. Wir wollen schließlich alle unser altes Leben zurück.

Wie sind Sie privat mit der Krise umgegangen?

Auch interessant

Verzweiflung, Alkoholismus, Segelflug: Mit den drei Dingen bin ich da durchgekommen. Nein, Spaß. Am Anfang war es schon sehr seltsam, dieser Total-Stopp, nachdem man zuvor lange auf 150 Prozent lief. Als wenn man auf eine Mauer knallt. Nach einigen Wochen hatte ich mich akklimatisiert und hatte deutlich mehr Zeit für meine Familie als zuvor. Das war auch mal ganz schön.

Buch geschrieben, zwei Podcasts, mehrere TV-Shows, das alles in den letzten anderthalb Jahren. Wie bewältigen Sie dieses Pensum?

Immer morgens eine Koffein-Injektion direkt in die Ader, um auf Betriebstemperatur zu kommen (lacht). Es ist viel ja, aber wichtig ist vor allem eine gute Organisation und dass man Freude daran hat. Ich hatte schon Acht-Stunden-Jobs, die ich gehasst habe, zum Beispiel im Supermarkt. Ich kann nicht behaupten, der engagierteste Einzelhandelskaufmann der Geschichte gewesen zu sein – weswegen man mich nach ein paar Tagen auch wieder gefeuert hatte. Aber gerade was die Podcasts angeht: Es ist eigentlich obszön, dass man mich dafür bezahlt. Beide Jungs, mit denen ich die mache (Özcan Cosar und Reinhard Remfort, Anm. d. Red.), sind Freunde von mir. Bei den Aufnahmen komme ich mir vor, als würde ich zwei Stunden mit Freunden telefonieren. Das fühlt sich weniger wie Arbeit an, sondern nach sehr viel Spaß.

„Spielen vor Pappaufstellern ist eine deprimierende Erfahrung“

Und das Fernsehen?

Das macht natürlich auch Spaß und gibt einem wiederum andere Möglichkeiten, die TV-Auftritte sind zum Beispiel besser planbar. Aber das Auftreten vor Publikum und von diesem Reaktionen zu erhalten, ist das Schönste, was man in meinem Beruf bekommen kann. Das hat die letzten anderthalb Jahre schon gefehlt. Ich habe im TV vor Pappaufstellern gespielt und dann kamen Lacher vom Band. Eine deprimierende Erfahrung. Unsere Berufssparte lebt eben vom Feedback.

Ihre Live-Podcast-Auftritte mit Özcan Cosar im Sommer sind allesamt ausverkauft. Eine Frage, die man sich immer öfter stellt: Was macht Podcasts eigentlich so attraktiv?

Mit Kollege Özcan Cosar bestreitet Bastian Bielendorfer den erfolgreichen Podcast „Bratwurst & Baklava“.
Mit Kollege Özcan Cosar bestreitet Bastian Bielendorfer den erfolgreichen Podcast „Bratwurst & Baklava“. © phono-forum GmbH | phono-forum GmbH

Gut, die Umstände zuletzt haben der Popularität natürlich sehr geholfen, es war ja lange Zeit das einzig neue, einfach konsumierbare künstlerische Medium. Was es so besonders macht, ist vor allem die Unmittelbarkeit. Da entsteht eine große Nähe zwischen Künstler und Publikum, etwas sehr Privates. Das kriegt man so im Fernsehen oder auf der Bühne kaum hin, da ist eben vieles vorgeplant. Hinzu kommt die enge Bindung und der Spaß zwischen mir und meinen beiden Kollegen, Özcan Cosar bei „Bratwurst und Baklawa“ und Reinhard Remfort bei „Alliteration am Arsch“, die überträgt sich scheinbar aufs Publikum – das würde bei anderen Podcasts und Protagonisten vielleicht nicht so funktionieren.

Woraus ziehen Sie Inspirationen für die Gespräche?

Eigentlich aus gar nichts. Wir haben noch nie vorher ein Thema abgesprochen, das geschieht alles immer spontan. Özcan und Reinhard sind begnadete Laberköppe, ich wohl auch ein bisschen, das passt eben super zusammen.

Sie sind Diplom-Psychologe. Inwiefern hilft Ihnen das als Künstler?

In gewissen Grenzen. Vielleicht habe ich einen etwas geschärfteren Blick auf andere. Psychologen beobachten das Verhalten anderer und unser eigenes Erleben, das tun Comedians auch. Wir versuchen, das so lustig wie möglich auf die Bühne zu bringen. Aber ich analysiere weder dauernd Menschen, die ich treffe, noch denke ich den ganzen Tag in Fachbegriffen.

In der VOX-Show „Showtime of my Life – Stars gegen Krebs” zeigten Sie sich nackt. In einem früheren Interview dazu sprachen Sie davon, „ihren Durchschnitts-Vater-Body“ nicht zu mögen. Hat sich das seit der Show geändert?

Überhaupt nicht. Ich will weiterhin nicht FKK durch die Stadt laufen, wahrscheinlich werde ich meine Optik nie richtig mögen, aber ich kann mit mir leben. Die Show war aus anderen Gründen sehr bedeutsam. Sie hat viele Leben gerettet. Viele schrieben mir, dass sie nur wegen der Show zur Vorsorge gegangen sind und dabei so einiges entdeckt wurde.

Wie kam Ihr Mitwirken zustande? Fragte VOX bewusst, da Sie wegen des Krebstods ihrer Mutter vor einigen Jahren bereits unmittelbar von dem Thema betroffen waren?

Die Beweggründe der Macher kann ich gar nicht mehr so recht reproduzieren. Vielleicht war der Punkt, jemanden dabei zu haben, der nicht ständig gewillt ist, sich Sachen am Körper entfernen lassen zu wollen, sondern eher einen, der deswegen mit sich ringt, sich aber auch akzeptiert. Und dem man zu jedem Zeitpunkt der Show anmerkt, dass das für ihn ein Herzensprojekt ist.

„Ich will die Scharte von damals auswetzen“

Gibt es noch Traumprojekte?

Bühnentechnisch habe ich meinen Traum schon erreicht, nämlich die Emscher-Lippe-Halle in meiner Heimatstadt zu füllen. Da habe ich als Kind schon von geträumt, als ich nebenan im Sportparadies schwimmen war. Eine fürchterlich hässliche Halle. Aber egal, ich wollte da auftreten. Was das Fernsehen angeht: Ich würde super gerne bei „Schlag den Star“ gegen meinen Kumpel Özcan Cosar antreten, weil wir sehr unterschiedliche Typen mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten sind. Und „Promi Wer Wird Millionär?“ – einfach, um meine Scharte von damals auszuwetzen.

Werden Sie immer noch auf den damaligen Auftritt angesprochen, als Ihr Vater Sie als Telefonjoker vor Publikum für Ihre Unwissenheit herunterputzte?

Ständig. Ist ja auch legitim. Es war der Startpunkt meiner Karriere, der Katalysator meines heutigen Lebens. Ohne den Auftritt hätte ich nie ein Buch geschrieben, nie Auftritte im TV gehabt, wäre nie auf der Bühne gelandet. Ich hätte mich einfach nie getraut.

Ein kurzer Blick in die Zukunft: Die Inzidenzen steigen leider wieder, mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Rest des Jahres?

Ein weiterer Lockdown wäre natürlich sehr bitter, ich würde gerne endlich mal wieder auftreten. Klar ist aber: Die Vorsicht geht immer vor Konsum und Kommerz. Ich möchte nie dafür verantwortlich sein, dass sich jemand ansteckt und erkrankt. Ich mache nicht die Regeln, bin aber überrascht, was aus Populismus hinaus immer wieder für absurde Entscheidungen gegen den gesunden Menschenverstand getroffen werden. Aber man sieht ja in anderen Ländern, wie unverantwortlich die Regierungen mit ihrem Volk umgehen. England schafft bei einer Inzidenz von 300 die Maskenpflicht ab, da kann man als denkender Mensch nur mit dem Kopf schütteln und denken: „Toll, wir bohren gerade Löcher in unser eigenes Boot“.

>>> INFO: Bastian Bielendorfer live

Für diese Termine der „Lustig, aber wahr“-Tour gibt’s noch Karten: 29.8. Leverkusen (Scala), 24.9. Bielefeld (Stadthalle), 22.10. Mönchengladbach (Das Rote Krokodil), 24.10. Brilon (Bürgerzentrum Kolpinghaus), 7.11. Hamm (Maximilianpark), 11.11. Borken (Stadthalle Vennehof), 14.11. Bochum (RuhrCongress), 18.2. Essen (Weststadthalle), 30.5. Siegen (Leonhard-Gläser-Saal). Karten ab ca. 28 €.

Live-Podcast „Alliteration am Arsch“ mit Bastian Bielendorfer und Reinhard Remfort: 17.8. Düsseldorf (20 Uhr, Ehrenhof). Karten ca. 29 €. Alle weiteren Infos gibt’s auf Bastian Bielendorfers Homepage.