Essen. Berechtigte Frage: Was ist Ken Jebsen passiert? „Cui Bono“ zeigt, wie aus einem populären Radiomoderator ein Verschwörungsideologe werden konnte.

Er wollte berühmt werden, gesehen werden – das hat Ken Jebsen geschafft. Doch zu welchem Preis? Von Youtube gesperrt, vom Verfassungsschutz beobachtet, vom Kollektiv Anonymous gehackt und jetzt will er nicht nur das Land verlassen, sondern auch seine selbst ernannte alternative Medienplattform KenFM aufgeben.

„Cui Bono – WTF happend to Ken Jebsen?“ erzählt die Geschichte von Ken Jebsen: dem ehemaligen Radiomoderator, der zu einem der wohl einflussreichsten Verschwörungsideologen Deutschlands wurde.  
„Cui Bono – WTF happend to Ken Jebsen?“ erzählt die Geschichte von Ken Jebsen: dem ehemaligen Radiomoderator, der zu einem der wohl einflussreichsten Verschwörungsideologen Deutschlands wurde.   © NDR | ARD

Der neue Podcast „Cui Bono: WTF happend to Ken Jebsen“ geht der Frage nach, wie aus einem beliebten Radiomoderator ein bekannter Verschwörungsideologe werden konnte, der Comedy und belanglose, aber populäre Unterhaltung gegen die Verbreitung kruder Theorien eintauschte und in jüngster Zeit öffentlich zu Anti-Corona-Demonstrationen aufforderte.

Produziert von Studio Bummens, NDR, K2H und Jebsens früherem Arbeitgeber, dem Rundfunk Brandenburg-Berlin (rbb), zeichnet die Dokumentation aber nicht nur den Werdegang des einstigen Jugendidols nach.

„Cui Bono“ – „Wem nützt es?“

Journalist Khesrau Behroz nimmt mit Hilfe von Investigativreporterin Pascale Müller und Radikalisierungsforscher Sören Musyal die gesellschaftlichen Strukturen unter die Lupe, die eine solche zweifelhafte Karriere überhaupt erst ermöglichen.

„Cui Bono“, der Titel der sechsteiligen Podcastserie, bedeutet „Wem nützt es?“. Eine populäre Frage im Kreis der Verschwörungsideologen, die eine Geschichte hinter der Geschichte vermuten – eine Verschwörung.

Ken Jebsen strebte schon immer nach Aufmerksamkeit

Die Audio-Produktion dreht den Spieß nun um und fragt: Welche Interessen vertreten Verschwörungsmythen, wem bringt das überhaupt etwas, welche Akteure stehen dahinter und vor allem: Was bringt es?

Im Fall von Ken Jebsen: Aufmerksamkeit, etwas, nach dem der 54-Jährige schon seit Jahrzehnten strebt. Das wird direkt zu Beginn der Podcast-Dokumentation deutlich.

Karrierestart in den 90er-Jahren

„Vom geliebten Rockstar-Moderator zum wohl einflussreichsten Verschwörungstheoretiker Deutschlands“ heißt es in der Ankündigung. Kayvan Soufi-Siavash, wie Jebsen richtig heißt, gilt als großes Nachwuchstalent, als er in den 90er-Jahren in der Radiolandschaft auffällt, als „der wildeste, der wahnsinnigste, der innovativste Radiomoderator“, erklärt Moderator Behroz.

Aber Jebsen will zu viel: Der Sprung ins Fernsehen gelingt ihm zwar, soll allerdings nur ein kurzes Gastspiel sein. Der öffentlich-rechtliche rbb nimmt ihn gerne zurück und verpasst ihm eine eigene Radiosendung beim Jugendsender Fritz: KenFM.

Der rbb streicht den Moderator aus dem Programm

Aber der gebürtige Krefelder nutzt seinen Sendeplatz zunehmend, um krude Theorien unter die Hörer zu bringen und gegen das politische System zu wettern, erst versteckt, dann immer offensichtlicher. Der Sender muss handeln.

2011 wird Jebsen entlassen, offiziell, weil er angeblich den Holocaust geleugnet hat. Das Jahr und sein Rausschmiss werden zum Scheidepunkt des Moderators.

Jebsen radikalisiert sich zum Verschwörungsideologen

Was bereits während seiner Zeit beim Rundfunk begonnen hatte, manifestiert sich: Jebsen radikalisiert sich zum Verschwörungsideologen, der gegen demokratische Wahlen wettert, von Verschwörungen der Elite spricht, den 11. September als Terrorlüge darstellt und die Covid-19-Pandemie Bill Gates anhaftet – um nur einen Teil seiner „Agenda“ aufzuzeigen.

Der Podcast dröselt all das auf, beleuchtet den Aufstieg und Fall des Ken Jebsen von allen Seiten. Die Redaktion dahinter hat mit ehemaligen Weggefährten gesprochen, Kollegen, neuen und alten Freunden.

Was treibt den einst populären Radiomoderator an?

Es soll um Waffennarren, Internettrolle, Neonazis, dubiose Geschäftsleute, Geheimdienste, Russland, Youtube-Millionäre und Wunderheiler gehen – und darum, was den einst als innovativ gefeierten Moderator antreibt. Macht, Geld, das Ego oder irgendwelche Hintermänner?

Hörenswert ist das in jedem Fall, zumal der Podcast aufwendig produziert wurde. Statt eines einfachen Monologs oder Dialogs ist die Dokumentation gespickt mit alten Radiobeiträgen, Audio-Schnipseln, Interviews und Erklärsequenzen, zum Beispiel erklärt der jüdische Schauspieler Daniel Donskoy den Begriff Antisemitismus.

Rückblick auf die 90er und Ausflug auf die Krim

So wird der Hörer ins Berlin der 90er-Jahre geführt, zum 11. September 2001, zu einem Demagogen in die USA, nach Russland zu einer geheimnisvollen Fabrik in St. Petersburg und auf die Krim.

Allerdings stellt man sich dabei unweigerlich eine Frage: Darf ein Verschwörungstheoretiker so viel Aufmerksamkeit bekommen? Ken Jebsen zu entzaubern, hieße doch, ihm keinerlei Plattform zu geben, egal in welcher Form.

Ken Jebsen als anschreckendes Beispiel

Denn das, so lernt der Podcasthörer gleich in der ersten Folge, würde ihn am meisten treffen: Ignoranz. Medien, die nicht über sein Handeln berichten, sinkende Einschaltquoten. Ein so offensichtlicher Narzisst wie Ken Jebsen lebt schließlich von einer solchen Präsenz.

Redakteur und Moderator Khesrau Behroz beantwortet das gleich in den ersten Minuten der ersten Folge: Jebsens Geschichte soll nur als Beispiel fungieren, wie gefährlich Verschwörungsideologen und ihre Theorien sind, was sie mit uns machen. Und wie weit sie schon in die gesellschaftliche Mitte vordringen konnten – bis in die Familie, bis in den Freundeskreis. Und auf diese Gefahr müsse man dringend aufmerksam machen.

>>> Info: Cui Bono: WTF happend to Ken Jebsen?, sechs Folgen, immer ab sonntagabends in der ARD-Audiothek, bei N-JOY.de und bei allen gängigen Podcastplattformen.