Neuss. Ein faszinierendes Konzept: Das Museum Insel Hombroich in Neuss ist Galerie und Garten in einem. Ein Besuch einer Märchenwelt.
Das ist ein Museum, bei dem man sich die Schuhe dreckig macht. Anders will man es auch gar nicht, auf der „Insel Hombroich“ in Neuss. Denn dies ist kein Museum im gewohnten Sinne, sondern ein Ensemble aus Landschaft, Architektur und Kunst.
Eigentlich wurde dieses besondere Konzept aus der Not geboren, wie Mitarbeiter Christoph Kaspers verrät. Denn der Immobilienmakler und Kunstliebhaber Karl-Heinrich Müller (1936 - 2007) suchte in den 1980er-Jahren ein Gelände für sein Museum mit ostasiatischer Kunst und Werken von Hans Arp, Lovis Corinth, Yves Klein, und, und, und. Doch Müller bekam keine Baugenehmigung.
Begehbare Skulpturen
„Aber dann hatte er eine geniale Idee“, so Christoph Kaspers. Der Sammler ließ begehbare Skulpturen von dem Düsseldorfer Zeichner und Bildhauer Erwin Heerich schaffen, in denen er Kunst ausstellte: etwa den Turm oder die Schnecke. Die Namen verraten die Form der Gebäude, Pardon, der Skulpturen. Fenster wirken wie Bilderrahmen. Statt Gemälden heben sie allerdings die Natur hervor.
Kaspers ist nicht Kurator des Museums, sondern Gärtnermeister. Somit ist er mit einem Team von einem weiteren Gärtner und drei Leuten, die ein Freiwilliges Ökologisches Jahr machen, verantwortlich für den überwiegenden Teil der 21 Hektar großen Museumsfläche. Insel Hombroich heißt sie, da Arme der Erft das Gelände umfassen. Zum Glück stand das Wasser des Flüsschens während des Unwetters nur hoch, es wurde aber nicht zum reißenden Strom.
So pflegen, dass man es nicht sieht
Der Gartenarchitekt Bernhard Korte hatte einst diese schöne Park- und Auenlandschaft geschaffen, die sehr natürlich wirkt. So sagen es die einen. Andere: „Hier könnte man auch mal wieder stutzen – und das Unkraut zupfen.“ Das hört Kaspers ab und an, aber er vertraut der Anweisung Kortes: „Die Insel Hombroich wird gepflegt, als ob sie nicht gepflegt wird.“ Eine umgestürzte Kopfweide wird somit keinen Kopf kürzer gemacht – sie darf einfach liegen bleiben. „Das ist für die Artenvielfalt vorteilhaft“, sagt der 42-Jährige. Kein selbst gebautes Insektenhotel könne da mithalten. Und auch die Brennnessel am Wegesrand ist für ihn kein Unkraut. „Das ist für das Tagpfauenauge das perfekte Brutgebiet.“
Kaspers geht vorbei an einem rostroten Wächter. Dass der Beuys-Schüler Anatol Herzfeld diese Stahlskulptur oder auch den Stuhlkreis – „Das Parlament“ – auf der Insel geschaffen hat, weiß man – oder auch nicht. Kein Schild verrät auf dem Gelände oder in den Gebäuden, wann eine Arbeit entstanden ist, wer die Malerin war, welches Material der Künstler verwendet hat. „Ich finde das super“, meint Kaspers. „Da kann sich jeder seinen Teil denken.“ Wirkung statt Wissen.
Versteckt hinter hohen Rhododendronbüschen befindet sich die „Hohe Galerie“ mit einer halb geöffneten Tür. Dahinter sind die Wände blendend weiß gestrichen. Geometrisch geformte Skulpturen in Schwarz, ebenfalls von Erwin Heerich, bilden den größtmöglichen Kontrast. So meint man. Bis man die nächste Tür öffnet – und wie durch einen verzauberten Spiegel aus dem fast sterilen Raum in eine grüne Märchenwelt tritt.
Sumpfzypressen und Mammutblatt
Wild und verwunschen wirkt dieser Garten mit der Trauerweide, die ihre Äste über die Holzbrücke fallen lässt. Mit den Hortensien, die am gegenüberliegenden Ufer der Erft blühen. Wie muss das Ganze erst aussehen, wenn im Frühjahr auch noch die Magnolie in voller Blüte steht?
Aber das sind ja alles bekannte Pflanzen. Es gibt hier noch größere Exoten. Wirklich hohe Sumpfzypressen, die sich im Wasser spiegeln. Bezaubernd! Das Mammutblatt – jedes so groß wie ein Mammutohr. „Das ist aber das kleine Exemplar“, stapelt Kaspers tief. Und da: ein riesiger Tulpenbaum. Dieser Teil der Anlage war früher kein Acker, sondern schon vor über 200 Jahren mal ein Park. Dass er lange vor dem Kauf zeitweise nicht gepflegt wurde, habe dem Park nicht geschadet, so Kaspers. Im Gegenteil. Es gebe heute sehr verschiedene, sehr alte, sehr große Pflanzen.
Teufelskrückstock in der Märchenwelt
Auch hier wünscht man sich ab und an einen kleinen Hinweis, vor welchem Baum der Besucher steht. Doch Kaspers meint wie bei der Kunst: „Erfreuen Sie sich daran, was Sie sehen. Manchmal ist es nicht so wichtig, den Namen zu wissen.“ Nun gut, beim Teufelskrückstock wäre man im Vorteil. „Wenn man ihn anfasst, weiß man, warum er so heißt“, sagt Kaspers schmunzelnd. Autsch! Kleine Stacheln piksen teuflisch.
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Vor Corona war im Eintrittspreis ein Imbiss inbegriffen, mit Stuten und Pellkartoffeln. Kaffee, Tee oder Wasser, dazu einen Apfel, bekommt man aber immer noch im Café und kann damit an einem der Tische unter den Trauer-Eschen Platz nehmen. Das ist aber nicht die einzige Änderung: Bagger und Laster fahren derzeit über das Gelände, da etwa die Glasdächer der Gebäude, Pardon, der begehbaren Skulpturen, erneuert werden. So ist derzeit das „Labyrinth“ geschlossen, dafür wurde das ehemalige Atelier und Wohnhaus des Malers Gotthard Graubner (1930 - 2014) für Besucher geöffnet. Gezeigt werden Werke aus dem Archiv. Auch Kaspers packt ab und zu mal für einen Moment die Rosenschere ein, um die Gemälde auf sich wirken zu lassen.
Im Bauerngarten ist es in diesen Tagen selbst diesem Gärtner zu wild. Kaspers hat die Sanierungspläne abgewartet, nun kann er das Grün unter den Apfel-, Kirsch- und Mispelbäumen bändigen. „Die Früchte des Mispelbaums sind erst nach dem ersten Frost schmackhaft – wie saure Äpfel“, schwärmt Kapsers. Im März oder Mai sei das Museum zwar besonders schön, „das sind die Blütenmonate.“ Aber er ermutigt Besucher: „Sie haben in jeder Jahreszeit ein anderes Bild.“ Kürzlich stand eine Wiese mit Lupinen und Kornblumen noch mannshoch, nun genießt man den Weitblick. Und im Herbst verfärben sich die Blätter der Tupelobäume aus Nordamerika. „Das Rot ist unbeschreiblich, wie beim Indian Summer.“
>> Das Museum Insel Hombroich und die Raketenstation
Museum Insel Hombroich, Minkel 2, Neuss: Wegen der Sanierung ist der Eintrittspreis derzeit reduziert: 5 € unter der Woche, am Wochenende: 7,50 €, Kinder bis zwölf Jahren frei. Das Museum ist auch montags geöffnet, täglich ab 10 Uhr. Hunde, Picknick oder Fahrräder sind nicht erlaubt.
Die Stiftung bietet Kunst-Führungen an, keine botanischen Touren. In der Nähe befindet sich auch die Raketenstation Hombroich, eine ehemalige NATO-Raketenstellung. Dort arbeiten und leben heute Künstler. (inselhombroich.de)