Stockholm..

Korruption und Machtmissbrauch: Im einstigen Musterland Schweden geht es allmählich zu wie in den düsteren Kriminalromanen, die im Land der Seen geschrieben werden. Es ist zurzeit so, als ob die Medien in Stockholm aufwachen.

Ein Monarch, der sich im Saunaclub vergnügt und Politiker, die jedes moralische Maß verloren haben: Schweden wird von gesellschaftlichen Skandalen derzeit durchgeschüttelt, nicht nur im Königshaus. Und wie in den Krimis von Stieg Larsson wachen die Medien auf, berichten von verbreiteter Korruption, von einer Bestechungskultur, illegalem Machtmissbrauch großer Behörden und einer Stockholmer Elite, die ängstlich wegschaut.

Die Krimis hatten Recht: Das skandinavische Musterland Schweden erscheint als Sündenpfuhl. Hohe Amtsträger, die Bordelle aufsuchen, Vetternwirtschaft in Kommunen, bei Landespolitikern und Diplomaten. Die schwedische Reichspolizei gründet jetzt eine „nationale Spezialeinheit gegen Bestechungsverbrechen“. 30 Beamte sollen abgestellt werden. Das gab es früher nicht im Volksheim. Vertrauen ging stets vor Kontrolle – bis es nicht mehr ging.

„Freundschaftskorruption“ in Kommunen

Auch jetzt noch werden die Skandale, die Thomas Sjöberg in seiner Biografie „Der widerwillige Monarch“ enthüllt hat, wie heiße Kartoffeln behandelt. Im bedeutendsten öffentlich rechtlichen Morgenradioprogramm darf das Buch auf höchste Weisung nicht mal genannt werden. Einer Journalistin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die an der Königsbiografie mitgearbeitet hat, wurde sogar gekündigt. Das System, in dem die Mächtigen einander den Rücken kraulen, gilt als weitgehend intakt.

Mord an Olof Palme blieb unaufgeklärt

Schweden ist eine Monokultur, in der man den Staat nie anzweifelt – das geschah nicht mal nach dem Mord an Palme. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt, aber die Schweden zogen es vor, an die Legende vom sauberen Königreich zu glauben. Dieser Sicht zufolge meinten es dann auch die ewig regierenden Sozialdemokraten immer nur gut.

Die Sozialdemokratische Vorsitzende Mona Sahlin soll laut der Zeitung Aftonbladet von altgedienten Parteifunktionären gestürzt worden sein. Denen sind ihre eigenen Ämter inzwischen wichtiger als der Umverteilungsstaat den sie einst aufbauten, so Kritiker von Links und Rechts. Das ist schon lange bekannt, genauso wie die Hobbys des Königs. Aber dass so etwas nun öffentlich wird, ist eigentlich das Bemerkenswerte. Vor allem kleine Zeitungen berichten, wie in der „Millennium“-Trilogie ausführlich. So schrieb die Internetzeitung „Realtid“ erstmals über einem Skandal im wohl heiligsten Gral des sozialdemokratischen Umverteilungsstaats: die Steuerbehörde. Ein räuberischer Finanzbeamter bringt den unantastbareren Ruf der Behörde in Verruf. Der Mitarbeiter des Finanzamts Stockholm hat den schwedischen Steuerzahler laut Gericht um mindestens 120 Millionen Kronen (12 Millionen Euro) betrogen. Der 42-Jährige hatte mit mindestens drei Mitangeklagten eine Scheinfirma gegründet. Über falsche Rechnungen genehmigte er dieser Firma dann bei der Steuererklärung Umsatzsteuerrückzahlungen in Millionenhöhe.

Keine Fantasieprodukte

Ja, es gibt auch protestantische Verlässlichkeit und Bescheidenheit. Die sozialdemokratischen Gründerväter des Volksheims suchten den „Dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus im homogenen, überschaubaren Schweden mit seinem  von Fleiß und Ehrlichkeit bis zur Selbstgeißlung geprägten Volk. Das funktionierte – bis diejenigen, die dem Modell ihren Aufstieg verdankten, die 40er-Jahrgänge, die umsonst studieren durften und eine Rundumversorgung des Staates genossen,  zu wohlhabenden Bürgern wurden und lieber keine Steuern zahlten.

„Du kannst den Kuchen nicht essen und ihn gleichzeitig aufbewahren“, lautet ein altes schwedisches Sprichwort, dem niemand mehr glauben zu schenken scheint. Krimis von Sjöwahl/Wahlöö, Henning Mankell, Hakan Nesser oder Liza Marklund schienen Fantasieprodukte einer saturierten Gesellschaft zu sein. Man hat sich getäuscht. Schwedische Krimis sind so dunkel, weil sie tief in der Wirklichkeit wurzeln.

Lesen Sie auch