Lünen..
Das wackere Festival des deutschen Films in Lünen eröffnete jetzt mit Katja Riemann und Olli Dittrich. Das Motto „Lünen ist die Härte“ zeugt von dem Stolz, hier an der Lippe seit 1990 mit Erfolg deutsche Produktionen zu präsentieren.
Einen derart fulminanten Start wie Donnerstagabend mit der Uraufführung des tragikomischen Amourenkarussells „Die Relativitätstheorie der Liebe“ hat das Kinofest Lünen schon lange nicht mehr erlebt. Mit Olli Dittrich und Katja Riemann, die sich beide auch vor Ort persönlich feiern ließen, hat der erst im Januar ins Kino kommende Film von Otto Alexander Jahrreiss zwar nur zwei Stars, dafür aber ist jeder von beiden gleich in fünf unterschiedlichen Rollen zu sehen.
Die große Kunst der Maskenbildner feiert hier wahre Triumphe. Olli Dittrich verwandelt sich dabei vom smarten Werbeprofi zum bierbauchigen, fettsträhnigen Fahrlehrer, vom weißbärtigen Guru zum langhaarigen, sonnenbebrillten Musiker. Die wahre Katja Riemann sucht man unter mancher Maske nahezu vergeblich. Als heißblütige spanische Fahrlehrersgattin oder als verhuschte Ordnungsamt-Außendienstmitarbeiterin mit leichtem Überbiss mag man sie kaum noch identifizieren. Ihre zarte Romanze in dieser Rolle mit einem muselmanischen Gastronomen (Dittrich, wer sonst?) ist sicherlich die anrührendste Episode inmitten all dieser ineinandergreifenden Geschichten rund um Liebe und Beziehungen.
„Lünen ist die Härte“
Gegen alle Widerstände hat es das wackere Kinofest Lünen inzwischen ins 21. Jahr geschafft. Das Motto „Lünen ist die Härte“ zeugt von dem Stolz, hier an der Lippe seit 1990 mit Erfolg deutsche Produktionen zu präsentieren.
Die vier Veranstaltungstage sind auch 2010 wieder randvoll, denn 61 Titel warten auf ihre Vorführung, und nicht nur zum Eröffnungsfilm haben Regisseure und prominente Darsteller ihr Erscheinen zugesagt. Selbst die Verhaltensforscherin Jane Goodall reist von der Bambi-Verleihung in Potsdam weiter nach Lünen, um hier am Sonntag dabei zu sein, wenn der Porträtfilm „Jane’s Journey“ als Abschlussgala gezeigt wird.
Wettbewerb um den mit 10 000 Euro dotierten Publikumspreis „Lüdia“
Das Herzstück des Festes ist seit langem schon der Wettbewerb um den mit 10 000 Euro dotierten Publikumspreis „Lüdia“. Der Ton bei den sechs Spiel- und vier Dokumentarfilmen ist dabei in diesem Jahr ein überwiegend ernster, Themen wie Ausgrenzung, Einsamkeit und Behinderung fallen auf. „Eines Tages. . .“ von Iain Dilthey etwa zeigt drei bewegende Fälle von Demenz, wobei vor allem Heinrich Schafmeisters Darstellung eines Architekten bewegt, dem plötzlich die Erinnerungen zerbröckeln. Allein der forsche Optimismus, mit dem jedes der drei Schicksale endet, wirkt ein wenig verstörend, erklärt sich aber vielleicht durch die Förderung seitens der Pflegekassen NRW.
Pia Marais lässt in „Im Alter von Ellen“ eine nicht mehr ganz junge Flugbegleiterin (Jeanne Balibar) aus ihrem Leben kippen. Von jetzt auf gleich wird sie zu einer Unbehausten, die sich relativ passiv durch eine Gesellschaft treiben lässt, deren Verfallsdatum abgelaufen scheint. Als „obdachlose Streuner“ werden jene Jugendlichen gerne etikettiert, die Maria Speth in ihrem überzeugenden Dokumentarfilm „9 Leben“ vorstellt. Der Film wirkt ungemein „sauber“, nicht zuletzt durch das Arrangement der Protagonisten in einem Raum von strahlender Weiße. Doch wenn Toni, Krümel & Co. zu erzählen beginnen, dann sieht man förmlich den Dreck, aus dem sie sich befreit haben. Wenn das Elternhaus zur Hölle wird, ist die Straße anscheinend das bessere Zuhause.
Jessica Schwarz spielt in Florian Cossens „Das Lied in mir“ eine junge Deutsche, die in Argentinien plötzlich ihre wahren Wurzeln entdeckt. Ihr Pflegevater (Michael Gwisdek) gerät dabei in den düsteren Verdacht der Kindesentführung. Genug Stoff eigentlich, um emotional zu berühren – was diesem Diplomfilm allerdings nur schwerlich gelingt. Oliver Haffner schließlich präsentiert uns in „Mein Leben im Off“ einen deutschen Stadtneurotiker schwulen Zuschnitts (Thomas Schmauser), der ausgerechnet durch eine resolute junge Frau aus seiner Passivität gerissen wird. Da will sich spürbar eine Komödie aufbauen, wird aber immer wieder vorsätzlich daran gehindert.
Macht nichts. Die Auswahlmöglichkeiten in Lünen sind reichhaltig genug.