Mülheim/R. .

Er ist so etwas wie der Papst der Atheisten. Mit seinem Buch „Der Gotteswahn“ erreichte Richard Dawkins (69) nicht nur Zornesfalten bei Gläubigen aller Religionen, sondern auch Millionenauflagen. Jens Dirksen sprach mit ihm vor seinem Vortrag über „Die Schöpfungslüge“ (nach seinem gleichnamigen Buch) in der „Mehr Licht!“-Reihe des Literaturbüros Ruhr.

Woran liegt es, dass Religionen so im Aufschwung sind?

Dawkins: Ich bin nicht sicher, ob sie es wirklich sind. Wir nehmen in unseren Ländern vor allem die Präsenz der Moslems mehr wahr. Der Rest ist wohl eine Art von politischem Muskelspiel. Aber ich bin nicht gut darin zu erraten, wo gesellschaftliche Gründe für etwas liegen. Die Religion hat jedenfalls keinen Grund, sich stark zu fühlen.

Aber sie stärkt die Gläubigen. Als Immanuel Kant mit der reinen Vernunft herausgefunden hat, wie unwahrscheinlich die Existenz Gottes ist, habe er ihn aus Gründen der praktischen Vernunft wieder eingeführt, meinte Heinrich Heine – vor allem, um seinen traurigen Diener Lampe zu trösten.

Das klingt für mich eher wie eine charmante Art der Gängelei. So ging man früher vielleicht mit Personal um, aber ich glaube, dass wir heute alle in der Lage sind, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

Und wie gehen Sie mit Fundamentalisten um?

Sie sind mir egal. Das sind keine ernsthaften Diskussionspartner, sie haben keine Argumente.Sie wollen die Tatsache der Evolution nicht zur Kenntnis nehmen und dass alle Kreaturen verwandt sind, dass wir mit Schimpansen und Nilpferden verwandt sind, letztlich auch mit Bananen und Gras. Daran gibt es jedoch in gebildeten und wissenschaftlichen Zirkeln nicht den Hauch eines Zweifels.

Sie glauben an die Vernunft. Aber auch die hat noch keinen Beweis für den Ur­sprung allen Seins gefunden.

Ja, von da bis zur Evolution gibt es noch ein gewisses Loch. Es dürfte allerdings mehr eine Frage der Zeit sein, bis man auch das aufgeklärt hat.

Die Aufklärung mag voranschreiten, doch es gibt auch Rückschläge.

Ach, das war vielleicht unter Bush in den USA so, aber das ist eine Zickzack-Bewegung. Unterm Strich geht es voran.

Schon die Dichter der deutschen Romantik haben der Aufklärung dagegen vorgeworfen, dass sie die irrationale Seite des Menschen zu sehr vernachlässige.

Ich glaube, dass diese Dichter sehr irregeleitet waren. Man kann doch auch beim Be­trachten der Welt, wie sie ist, äußerst poetische Gefühle entwickeln, man kann doch auch als Verehrer der Vernunft zum Sternenhimmel aufblicken und dabei romantische Erfahrungen machen. Oder die atemberaubende Schönheit von Mineralien unter einem Elektronen-Rastermikroskop erfahren!