Essen. Lorenz will den "Struwwelpeter". Warum? Warum nur immer wieder der? Fragen eines vorlesenden Vaters – und eine unerwartete Antwort.

Ja, so wie Erwachsene die Abwechslung lieben, so gieren Kinder nach der Wiederholung. Und doch: Abends, auf der Bettkante neben meinem Lorenz, würde ich hin und wieder doch gern etwas anderes lesen als „Paulinchen war allein zu Haus, / die Eltern waren beide aus”. Aber ich kann mit „Pettersson & Findus” winken oder mit „He, Du da!” oder „Severin und Nepomuk” – vergebens.

Lorenz will den „Struwwelpeter”. Warum? Warum nur?

Und wer hat eigentlich dieses quietscheentchengelbe Muster der Schwarzen Pädagogik in unser Haus geschleppt? Die dicken Seiten sind angegrabbelt, und als der Pestalozzi-Verlag dieses Exemplar gedruckt hat, waren die Postleitzahlen noch vierstellig. „Ungekürzte farbige Ausgabe von Dr. Heinr. Hoffmann” steht auf dem Titel, was ein bisschen nach Medizin klingt. Ich würde sogar sagen, ich rieche Lebertran, wenn ich die Seiten aufschlage.

Aber Lorenz verdrießt das alles nicht.

Hat er Mitleid mit all den misshandelten Kindern? Mit Konrad, dem Daumenlutscher? Mit dem Suppenkaspar? Er grinst nur. „Lies weiter, Papa”.

Es holpert, es quietscht

Ob er nicht mal merkt, wie sehr die Verse von Dr. Hoffmann holpern? Ob es nicht quietscht in den Ohren, wenn er da in schönstem Hessisch reimt „Pfui! Ruft da ein jeder / garst'ger Struwwelpeter”?

Fragen über Fragen, so ging das Monat um Monat.

Bis Lorenz neulich noch mehr grinste als sonst. Er kramte ein neues Buch hervor. „Und, Lorenz, was lesen wir jetzt?”

„Lucky Luke!”