Düsseldorf.

Lion Feuchtwangers „Die Jüdin von Toledo“ auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses – ein waghalsiges Theaterprojekt, in dem Plüsch, Trash, Comedy und manchmal Klamauk dominieren.

Alle Ritter wollen die Heilige Stadt aus den Fängen der Ungläubigen befreien. Nur einer schert aus: Alfonso VI. von Kastilien (1039-1109). Er richtet sich im spanischen Toledo ein, verliebt sich in die schöne Tochter des jüdischen Kaufmanns Jehuda Ibn Esra und beschert der Stadt und ihren Bewohnern Frieden und Wohlstand. Ganz zum Ärger der Katholischen Kirche, deren Papst Urban II. bekanntlich 1096 zum Ersten Kreuzzug aufrief, mit den Worten „Gott will es!“ (Deus vult!). In die Zeit der blutrünstigen Reconquista, der Rückeroberung der von Muslimen besetzten Gebiete Nordafrikas und Südspaniens, führt der Roman „Die Jüdin von Toledo“ von Lion Feuchtwanger. Ein historischer Schinken in gemächlicher und teilweise althergebrachter Sprache, den Rafael Sanchez und Petschinka für die Bühne bearbeiteten und nun, als Koproduktion mit dem Züricher Neumarkt-Theater, im Düsseldorfer Schauspielhaus erstmals aufführten.

Auf schweren Orient-Teppichen, zwischen Schreibkabinetten und Ahnengalerie, Garderoben und Schmink-Spiegeltischen feiern und kreischen Alfonso (Thomas Müller) und seine schöne Geliebte Raquel, die er „Femosa“ (Julia Pobitschka) nennt. Sie ist schwanger und wird Alfonso einen Jungen bescheren. Die Party entwickelt sich zu einem Taumel und gipfelt darin, dass Jehuda, der Bischof und der muslimische Gelehrte ihre Ritual-Hüte tauschen. Doch Toleranz und Ausgelassenheit finden ein jähes ein Ende: Sie können sich nicht einigen, auf welche Religion der Knabe getauft werden soll.


Der Zwist kommt Alfonsos Gattin Leonor (Yvon Jansen) gerade recht. Um sich der hübschen Rivalin zu entledigen und ihre Töchter zu schützen, will sie mit Hilfe des Bischofs ihren Mann in den Krieg gegen die Muslime treiben. Trotz besseren Wissens und Warnungen seiner Fermosa geht Alfonso darauf ein, und das Unglück nimmt seinen Lauf. Vorbei die schönen sieben Jahre, in der Alfonso und Raquel Samba tanzen und sich lustvoll in Schaumbädern aalen.

Meist kommt Alfonso als dümmlich quakender und schnatternder Geck daher, wirkt, im Kontrast zu Jehuda, wie eine Witzfigur. Wenn er nicht weiter weiß, schnauzt er „Sic volo“ (Weil ich es will!). Sicherlich eine alberne Fassade für einen weitsichtigen Ritter, den viele für ihre Zwecke benutzen wollten, der sein Land aber lange Zeit aus einem zermürbenden sinnlosen Kreuzzug heraushält. Indes weltläufig, gelassen und gerissen wirkt Kaufmann Jehuda (exzellent: Guntram Brattia): Er war ursprünglich Moslem, trat aus Kalkül zum Judentum über und bleibt der Überlegene. Auch bevor seine Tochter zur Geliebten des Alfonsos avanciert, lenkt er den König mit List und der Aussicht auf Reichtum. Und trickst den Bischof von Toledo aus. Letzteren verwandelt Nikolaus Benda in eine hinreißende Karikatur.

Insgesamt dominieren in dem waghalsigen Theater-Projekt Plüsch, Trash, Comedy und manchmal Klamauk. Damit begegnen die Schweizer Theatermacher Feuchtwangers Parforceritt durch die weitverzweigte Kreuzfahrer-Geschichte und verzichten auf Bezüge zum aktuellen „Kulturen-Kampf“. Zahlreiche Geschichts-Slapsticks sorgen für Unterhaltung und lassen die dreieinviertel Stunden wie im Flug vorüberziehen. Doch geht in dem feuchtfröhlichen Getümmel mit Schaumkronen die große Roman-Idee streckenweise baden. Denn Feuchtwanger nahm die historisch überlieferte Liebe Alfonsos zu der Jüdin und seine Kriegsverweigerung als Metapher für die friedliche Koexistenz von Moslems, Christen und Juden.