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Dafür, dass der Schauspieler Ben Affleck früher öfter für die Goldene Himbeere nominiert war, macht er inzwischen als Regisseur ziemlich gute Filme. Das Bankräuberdrama „The Town“ ist ein gutes Beispiel dafür.

Man muss den Fall Ben Affleck wohl erneut überdenken. Bis vor kurzem noch war das ein Schauspieler mit fehlendem Charisma, allein siebenmal für die „Goldene Himbeere“ nominiert und zweimal der Gewinner. Dann aber kam „Die Hollywood-Verschwörung“ (2006) mit Affleck als glücklosem Superman-Darsteller George Reeves. Und der überzeugende Kriminalfilm „Gone Baby Gone“ (2007), von Affleck selbst inszeniert. Nun läuft diese Woche mit dem Bankräuberdrama „The Town“ gar ein Film in den Kinos an, der Affleck als gelehrigen Schüler von Clint Eastwood ausweist. Was ist da los?

„The Town“ spielt im Bostoner Stadtteil Charlestown, wo auf nur einem Quadratkilometer angeblich mehr Bankräuber leben, als irgendwo sonst auf der Welt. Bankraub ist hier eine Art ehrbares Handwerk und wird vom Vater auf den Sohn vererbt. Einer dieser Söhne ist Doug McRay (Affleck), ein eher sanfter Verbrecher, der es sauber und schnell liebt, ohne Verletzte vor Ort. Sechs Geldtransporter und zwei Banken hat er auf diese Weise nit seinen drei Kumpels schon beraubt, als die Sache mit der Geisel passiert. Freund Jem (Jeremy Renner) verliert die Nerven, greift sich die Bankmanagerin (Rebecca Hall) als Schutzschild beim Rückzug, die man auf Dougs Betreiben später jedoch wieder frei lässt. Das erste Problem: Claire wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft der Gangster. Das zweite: Eine Spezialeinheit des FBI ist dem Quartett dicht auf den Fersen.

Bankräuber unter Druck

Die Erkenntnis, dass die meisten amerikanischen Gangsterfilme in Wahrheit verkappte Western sind, findet in „The Town“ seine Bestätigung. Doug, Jem, Gloansy und Desmond wirken wie eine moderne Ausgabe der James-Younger-Bande, wenn sie ihren nächsten Coup besprechen. Es gibt nur einen Unterschied: Waren die Outlaws des Westens noch ihre eigenen Herren, so leben die Bankräuber von Charlestown unter ständigem Druck. Claire ist inzwischen offenbar unter Kontrolle, denn Doug hat eine Beziehung zu ihr aufgebaut. Trotzdem können die Vier förmlich riechen, wie der Kreis um sie immer enger wird, ohne dass sie eine Chance zum Ausstieg hätten: Der Unterwelt-Pate Fergie (Pete Postlethwaite) zwingt sie immer wieder in neue Jobs. Doch das fremdbestimmte Leben prägt auch andere Charaktere des Films. Claire zum Beispiel wird schließlich vom FBI-Agenten Frawley (Jon Hamm) skrupellos dazu erpresst, ihren Freund Doug ans Messer zu liefern.

Affleck, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, weiß schon sehr souverän, wie man das Tempo beschleunigt, um den Zuschauer in den Strudel der Ereignisse mit hinein zu ziehen. Drei große Brüche schildert der Film, wobei der Einstieg noch wie ein Musterbeispiel für generalstabsmäßige Planung wirkt. Da findet Doug in bedrohlicher Totenmaske sogar noch Zeit, beruhigend auf die zitternde Bankmanagerin einzureden, die den Safe nicht zu öffnen vermag. Überfall Nummer zwei mündet dann bereits in einer furiosen Verfolgungsjagd quer durch die schmalen Gassen Bostons. Der dritte schließlich führt direkt in das Mündungsfeuer der lauernden Polizeihorden, klassischer Topos schon in den einschlägigen Outlaw-Western. Nur dass hier alles etwas anders abläuft.

Sequenzen von vibrierender Spannung

Trotz dieser Sequenzen wirkt „The Town“ niemals hektisch, im Gegenteil. Affleck gelingen zwischendurch immer wieder Sequenzen voll vibrierender Spannung, die ihren „Suspense“ gerade aus dem Moment des Verharrens beziehen. Etwa in der Szene, wenn der Wagen der Bankräuber genau neben einem parkenden Polizeiauto stoppt, der Uniformierte am Steuer schier zu gefrieren scheint, um dann aus Gründen des Überlebens den Kopf einfach abzuwenden. Oder die Sequenz im Café, wenn Claire auf keinen Fall das verräterische Tattoo an Jems Hals sehen darf und die Kamera dabei das Auge des Zuschauers ist. Kleine Pretiosen in einem erstaunlich gelungenen Film, der sein Lokalkolorit allein schon aus den authentischen Drehorten saugt.