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Keiner trägt so schrille Kostüme wie sie. Doch nicht nur ihr Auftreten schlägt Wellen. Das Time-Magazine zählt sie inzwischen zu den 100 einflussreichsten Promis. Aber was macht aus Stefani Gemanotta eigentlich Lady Gaga?

Es gibt einflussreiche Menschen. Es gibt gut gekleidete Menschen. Und es gibt Lady Gaga. Mancher will immer noch nicht ganz glauben, dass die 24-jährige Popsirene mit der Vorliebe für funkensprühende BHs und Bauhaus-Design die Summe all dieser Bestenlisten ergibt. Aber erfolgreicher als Lady Gaga geht derzeit einfach nicht.

Es wäre zu kurz gegriffen, ihren Ruhm nur an den Zahlen zu messen. Natürlich sind 15 Millionen verkaufte Alben viel, 40 Millionen Singles noch viel mehr. Vom ersten Album „The Fame” platzierten sich gleich sieben Titel in den Top Ten der Weltcharts.

Aber Lady Gaga ist mehr als bloß eine von diesen singenden Top-Verdienern, die sich und der Plattenfirma das Geld auf die Konten schaufeln. Diese Stefani Joanne Angelina Germanotta, 1986 als Tochter gut situierter Eltern in New York geboren, ist ein seltenes Massenphänomen. Exzentrischer als Elton John, provokanter als Madonna, künstlicher als Rum-Aroma. Zehnjährige Schulgirlies pilgern zu ihren Konzerten und professionelle Chöre stimmen auf „YouTube” ihren „Paparazzi”-Song an. Auf Facebook hat sie inzwischen mehr als zehn Millionen Freunde. Blätter wie „Vanity Fair” und „Time Magazine“ nennen sie in einem Atemzug mit Bill Clinton und Steve Jobs. Forbes führt sie unter den 100 einflussreichsten Promis vor Britney Spears und Johnny Depp.

Mit vier Jahren bekam sie Klavierunterricht

Lady Gaga ist inzwischen so berühmt, dass ihr eigentlich regelmäßig schwindelig werden müsste auf diesen halsbrecherischen Plateausohlen, mit denen sie beispielsweise zur Verleihung der amerikanischem Musikpreise stakste. Zwei Grammys, drei Brit Awards und drei Echos kann sie inzwischen zu den vielen anderen Auszeichnungen stellen. Nicht mal zwei Jahre hat dabei der einsame Aufstieg dieser eigentlich etwas blassen Studienabbrecherin gedauert, die an der New Yorker Tisch School of the Art eigentlich Klavier studieren wollte.

An der Musik allein kann’s nicht liegen. Ihre Songs sind musikalisch nicht ansatzweise so gewagt wie ihre schrillen Kostüme. Die gefühlvollen Pianoballaden, die sie auf Konzerten gerne im extravaganten Blasenkleid zum Besten gibt, lassen vielmehr wissen, dass hier jemand schon mit vier Jahren Klavierunterricht bekommen hat. Der Rest ist ein gefälliger Mix aus Rock, Pop, Dance und Electro. Ihr aktueller Sommer-Hit „Alejandro” tropft allmorgendlich nach dem Duschen wie eine softe Cremespülung aus dem Radio. Innovation klingt anders. Erst wenn man das Video mit den bestrapsten Soldaten und den Mönchen auf Highheels sieht, lässt sich die Gagamania wieder erklären. Die Protagonistin selber trägt dazu wie so oft kaum mehr als ihr bloßes Selbstbewusstsein auf dem nackten Leib.

Sex sells, das weiß natürlich auch eine Ganzkörper-Künstlerin wie Lady Gaga, die mit Paris Hilton auf die katholische Mädchenschule gegangen ist. Obschon die 24-Jährige in Interviews inzwischen lieber über Enthaltsamkeit spricht. „Ich habe diese seltsame Angst, dass, wenn ich mit jemandem schlafe, mir meine Kreativität durch meine Vagina entnommen wird”, ließ sie sich unlängst in einem Interview vernehmen. Zwischen amüsiertem Stirnrunzeln und ungläubigem Kopfschütteln findet man in solchen Sätzen vielleicht eine Antwort auf die Frage, was Lady Gaga von all den anderen talentierten und tief dekolletierten Frolleinwundern unterscheidet: Ihre unbedingte Hingabe zum Anecken. Jeder Blick ist da ein Affront, jede Geste eine Provokation: Das perfekt inszenierte Anderssein ist bei Lady Gaga künstlerischer Ausdruck und Lebensaufgabe zugleich. Jeder kann sich ständig neu erfinden, lautet ihre frohe Botschaft im öden Nirvana des Casting-Einerleis. Verrückt sein ist erlaubt. Eine schiefe Nase bedeutet noch keinen Karriereknick. Das Außenseiterdasein ist ihr Erfolgsrezept.

Orbitartige Röckchen

Schon die Kostüme sehen da aus wie glitzernde Abstandshalter. Ihre spitz abstehenden, orbitartigen Röckchen und die metallisch-verdötschten Huttürme wirken, als hätte sich eine Architekturstudentin ins Atelier von Vivian Westwood verlaufen.

Dass Lady Gaga ein Gesamtkunstwerk ist, wer will das noch bezweifeln. „Mein Leben ist ein Auftritt, der nie zu Ende geht”, hat die Künstlerin zuletzt versprochen. Die nächste Notiz nimmt nach Forbes und Vanity Fair dann bitteschön das Guinness Buch der Rekorde.