Oberhausen. .
Vor rund 12.000 Fans geben Kiss auf der Bühne in der Arena Oberhausen Gas. Auch 37 Jahre nach ihrer Gründung beweisen Gene „The Demon“ Simmons und Co., dass sie vom Rock-Ruhestand weit entfernt sind.
Der Boom-Operator hat in der Film-Branche eine ganz andere Aufgabe als der martialische Titel es vermuten lässt. Während der gute Mann bei den Dreharbeiten für Kinofilme einfach nur den Mikrofongalgen („Boom“) über den Schauspieler hält, ist diese Bezeichnung bei einem Kiss-Konzert ganz anders zu interpretieren. Beim Auftritt der Rock-Veteranen in der König-Pilsener-Arena am Dienstagabend knallt es in einer Tour. Feuersäulen steigen empor. Feuerwerk schießt wie am Silvesterabend durch die Halle: „Boom!“ Die New Yorker Formation liefert im hohen Alter in Oberhausen eine spektakuläre Show ab. Auch 37 Jahre nach der Gründung hat die Band nichts an Faszination eingebüßt.
12.000 Fans sind in der ausverkauften Arena bei der „Sonic Boom over Europe“-Tour aus dem Häuschen. Und einen gediegenen Abend mit Rentner-Rockern können sie sich direkt abschminken. Warum sollte es auch so kommen? Viele haben mehrere Schichten mit Make-up aufgetragen. Sie tragen wie ihre Idole im schneeweißen Gesicht markante schwarze Schattierungen. Recken die Hände bei jedem Beat in die Höhe. Kiss ist in der Stadt und das Publikum fühlt sich geschmeichelt.
Magarethe Schreinemakers: „Ich habe vor Kiss früher Angst gehabt“
Dabei haben die Masken-Männer in der Vergangenheit neben Faszination auch manche Furcht hervorgerufen. „Ich habe vor Kiss früher Angst gehabt“, sagt ein Fan wenige Minuten vor dem Einlass in die Halle. Die Anhängerin in Chucks und lockeren Schlabberklamotten ist Ex-Talk-Queen Magarethe Schreinemakers. „Irgendwann hat sich bei mir die Skepsis in Begeisterung verwandelt.“ Vor dem Konzert schwärmt sie von der ungeheuren Präsenz der Band. Überhaupt zeigt sich Schreinemakers als bekennende Musikliebhaberin. „Zuletzt habe ich in Brüssel ‘Dead can Dance’ gesehen. Ein emotionales Konzert. Umso mehr bin ich heute auf Kiss gespannt, ob sie diesen Auftritt noch übertreffen können.“ Es sind ihre letzten Worte, hastig und unbemerkt verschwindet Schreinemakers in die rappelvolle Arena.
Drinnen fällt der Vorhang. Das Tempo wird von den ersten Tönen an merklich angezogen. Wie von einer Radbagger-Schaufel befördert schwebt die Band in die Arena ein. Und sofort macht die Band ihren Mund auf und zeigt: zügellose Zungen-Zelebrierung. An markanten Markenzeichen hat es Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer nie gemangelt. In Oberhausen präsentieren sie sich in Spiellaune.
Wen interessiert da das Alter. Bassist Gene „The Demon“ Simmons wird im August 61 Jahre alt. Doch in Oberhausen fliegt er wie ein junger Gott an Drahtseilen befestigt durch die Halle und setzt die Bearbeitung seines Instruments in luftiger Höhe fort. Songwünsche werden gefordert und postwendend im Klirren der Gitarren erfüllt. „I was made for loving you“ und „Crazy, crazy nights“ - an Hits wird es an diesem Abend nicht mangeln. Im Publikum jubeln Veteranen und Jungspunde gleichermaßen. Kiss lockt generationsübergreifend.
Detroit Rock City ist bekannt. Kiss adeln die Stadt schnell zu „Oberhausen Rock City“. Ein wenig Kunstblut tänzelt – von den Fans gefordert – auf den Zungen im Scheinwerferlicht. Kiss liefern eine Show, die einem angesichts der ständigen Feuersäulen die Schweißperlen auf die Stirn zaubert. Die Band ist bei ihrem Konzert in Oberhausen heiß, manchmal kalt – aber niemals lauwarm.