Berlin. .
Sind wir die Griechen von morgen? Maybrit Illner hat am Donnerstagabend im ZDF Mühe, das Thema ihrer Sendung durchzudrücken. Die geladenen Politiker streiten lieber, was das Zeug hält, und nutzen die Runde drei Tage vor der Landtagswahl in NRW für letzte Werbung.
Rechts CDU und FDP, links die bissigen Vertreter von SPD, Grünen, Linken – und mittendrin ZDF-Moderatorin Maybrit Illner, die sich zeitweise als Zuschauerin eines Ping-Pong-Spiels fühlen musste. In ihrem Talk am Donnerstag blieb ihr häufig nur der Blick von links nach rechts und zurück. „Ich hätte nicht gedacht, dass das heute so kompliziert wird“, sagt sie zwischendurch, als sie mal wieder vergeblich versucht, ein Wortgefecht zu durchbrechen. Dann hat sie doch noch die Erklärung: „Klar, es ist Wahlkampf.“ Und die Landtagswahl in NRW gilt als kleine Bundestagswahl. Laut Forsa-Prognosen vom Donnerstag drohen CDU und FDP ihre Mehrheit im Bundesrat zu verlieren.
Dementsprechend aufgeheizt ist die Stimmung: Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin schießt sich vor allem auf FDP-Generalsekretär Christian Lindner ein. Als der die aktuelle Steuerschätzung, die ein Loch von knapp 39 Milliarden Euro bis 2013 vorhersagt, schönreden möchte, geht Trittin ihn an: „Das ist doch dummes Zeug!“ Später lacht er Lindner gar aus, als der davon spricht, die Gewerbesteuer nicht abschaffen, sondern ersetzen zu wollen. Mit ins Sticheln steigt der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel ein: „Ich weiß, dass das sehr unangenehm für Sie ist“, heuchelt er Mitgefühl. FDP-Mann Lindner indes versucht, die Ruhe zu bewahren, löst den rechten Arm nie vom Stuhl. Als die Angriffe auf die Steuersenkungspläne seiner Partei aber größer werden, muss er die zurückgelehnte Haltung zeitweise aufgeben.
Gäste liefern zusätzliches Konflikt-Futter
Die Auswahl dreier Gäste aus leidenden NRW-Kommunen liefert den Oppositionsparteien in Bund und Land zusätzliches Futter, auf das sie sich sogleich gierig stürzen. Ein 37-jähriger Oberbrandinspektor der Hagener Feuerwehr, dem in einer Nothaushaltskommune seit Jahren die Beförderung verwehrt bleibt. Ein 26-jähriger Rapper, der über seine mit zwei Milliarden Euro verschuldete Stadt das Lied „Wuppertal stirbt“ geschrieben hat. Und eine 22-jährige Jurastudentin, die aufgrund von Studiengebühren zu ihrem Abschluss mit 10.000 Euro Schulden rechnet.
Gabriel, Trittin und die designierte Linken-Chefin Gesine Lötzsch bekräftigen nicht nur ihre Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren. Sie werfen der FDP vor allem vor, mit geplanten Steuersenkungen die Kommunen im Land weiter zu belasten. CDU und FDP reagieren ihrerseits mit rückwärts gewandten Schuldzuweisungen. „In Wuppertal gab es 40 Jahre lang einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister“, erwähnt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Lindner weist darauf hin, von 1998 bis 2009 habe die SPD im Bundesfinanzministerium gesessen.
Eine Stunde Zank und Zetern
Und der Blick nach vorne? Sind wir die Griechen von morgen? Gröhe punktet, als er Stammtischparolen den Wind aus den kräftig flatternden Segeln nimmt. „Wir sollten nicht gegeneinander ausspielen, was hierzulande und was innereuropäisch in unserem Interesse ist.“ Kein Widerspruch.
Der Blick nach vorne verweist aber vor allem auf Sonntag. Den Wunsch Gröhes, die schwarz-gelbe Regierung in NRW fortzusetzen, vergleicht Trittin mit Schalker Meisterchancen in der Fußball-Bundesliga. Laut einer Forsa-Umfrage vom gleichen Tag fallen CDU und FDP auf 43 Prozent zurück. Auch Rot-Grün fehlt aber die absolute Mehrheit. Also Rot-Rot-Grün? „Es gibt kluge Leute bei den Linken, mit denen man koalieren kann“, gesteht SPD-Chef Gabriel. „Die leben aber nicht in NRW.“ Gesine Lötzsch, die vorher noch für diese Koalition geworben hat, schaut enttäuscht. Maybrit Illner hingegen wirkt erleichtert, dass eine Stunde voller Zank und Zetern vorbei ist.