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„Der Feind im Schatten“: Hennig Mankell lässt Kult-Kommissar Kurt Wallander ein letztes Mal ermitteln. Fans haben sich nicht nur gefreut. Fans waren in Sorge. Unnötig: Ein würdiges Abschiedsgemälde ist es, das Henning Mankell seinem Anti-Helden zu Ehren gemalt hat. Die Farben sind vertraut.
Fans haben sich nicht nur gefreut. Fans waren in Sorge. Wer einen Helden so lange ruhen lässt, dem geht die Kunst der Wiederbeatmung leicht verloren. Aber nun ist Kurt Wallander zurück – er ist der alte, ein letztes Mal.
Ein würdiges Abschiedsgemälde ist es, das Henning Mankell seinem Anti-Helden zu Ehren gemalt hat. Die Farben sind vertraut. Zum Beispiel das seltsam schimmernde Schwarz, mit dem er zeichnete, wie Verbrechenslinien sich unaufhaltsam in heile Welten schoben. Oder ein wehmütiges Rot, das die melancholische Aufrichtigkeit eines Einzelkämpfers ausmalte. Und dieses ironisch eingesetztes Grau, das der Polizei-Bürokratie ein Gesicht gab. Und ab und zu blieb die Leinwand leer – ein fahles Weiß blieb da, wo Kommissar Wallander keine Antwort mehr hatte. Oder dort, wo wir nicht alles erfahren sollten.
Mankells Schlussbild ist tragisches Sittengemälde und zugleich morbides Stillleben
Der Rahmen dieses Abschiedsgemäldes ist würdig. Er schimmert unwirklich golden, weil er bis in die höchste Politik reicht, zu Olof Palme, zur CIA, zu kaltem Krieg. Vor allem aber fasst er mit großer und doch unaufdringlicher Geste die Grenzen eines Polizistenlebens ein. Mankells Schlussbild ist tragisches Sittengemälde und zugleich morbides Stillleben. Es ist wuchtiger Schinken in der (leider absehbaren) Hauptgeschichte und wunderbar andeutungsvolles Pastell in seiner Menschenbildnerei.
Kurt Wallander fühlt sich alt. Er arbeitet noch, aber er macht Fehler. Erste Demenz-Schübe setzen ein. Zudem wird Kurt seinem störrischen Vater so ähnlich, wie er es nie wollte. Und wie eine verzagte Abrechnung mit dem, was sein Leben ausmachte, schreibt er all die Toten auf, die ihm sein Beruf zu Füßen legte.
Fast lesen wir von ihm selbst als Sterbendem, so raffiniert und vielfarbig lässt der Erzähler alles, was Wallanders Leben bestimmte, in diesem Roman noch einmal an ihm vorüberziehen. Etwa mit einer Postkarte der Hinterbliebenen jenes Opfers, mit dem damals „Die weiße Löwin” begann. Oder mit der Erinnerung an das greise, für ein paar Tausend Kronen totgefolterte Bauernpaar aus „Mörder ohne Gesicht”. Und da ist Baiba Liepa, des Einsamen große Liebe. Nur deshalb hat sie Kurts Antrag abgelehnt, weil sie nicht das zweite Mal die Witwe eines Polizisten hatte werden wollen. Einmal sieht er sie noch. Es ist das Trauerspiel eines langen Augenblicks.
Dann wird es dunkel um Kurt Wallander
So liest sich „Der Feind im Schatten” nur oberflächlich (um Oberflächen geht es oft) als Agentengeschichte aus dem neutralen Schweden, als Suche nach den verschwundenen Schwiegereltern von Wallanders Tochter Linda, einem hohen Marine-Militär und seiner gütigen Frau. Wer den großen und für den gegenwärtigen Kriminalroman in mancher Hinsicht maßstäblichen Wallander-Zyklus des Henning Mankell verfolgt hat, liest dieses Buch vielmehr als nicht gänzlich unsentimentales biografisches Kompendium, in dem Bilanz gezogen und Zeugnis abgelegt wird.
So gerade noch hat Henning Mankell seinen Ystadter Helden am ungebügelten Kragen gepackt und ins 21. Jahrhundert hinübergezogen. Er sieht noch kurz die Hedgefonds, die isländischen Bankengaukler, dann wird es dunkel um Kurt Wallander. Ein Fossil war er immer schon, nun umschließt ihn endgültig das Gestein eines großen Ermittler-Denkmals.