Bochum. .
Schwerpunkt Islam: Intendant Willy Decker stellt das Programm der Ruhr Triennale 2010 vor - mit Gottesliebe, menschlicher Erotik, Sinnlichkeit und Spiritualität. Christoph Schlingensief inszeniert „S.M.A.S.H. - in Hilfe ersticken“ und „Die Blechtrommel“ wird für die Bühne eingerichtet.
Es ist Willy Deckers zweite Ruhr Triennale, und man merkt ihm an: Er will an den Erfolg des ersten Jahres nicht anknüpfen – er will eins drauf setzen. Nicht mit Menge, sondern beim Anspruch.Der Start verspricht, furios zu werden. Wieder eine Decker-Oper, diesmal als „Kreation“; und ein neuer Schlingensief. Doch es geht weiter, Schlag auf Schlag. Herzschlag auf Herzschlag: Denn dieses Festival hat viel zu tun mit Gottesliebe und menschlicher Erotik, mit Sinnlichkeit und Spiritualität.
Bewegung, Wanderung ist das Thema der Ruhr Triennale 2010, und: der Islam. Jenseits der alltäglichen Diskussion um Kopftücher und Minarette wolle man nach der tiefen und reichen Kultur dieser Weltreligion fragen, sagt der Intendant: „Es ist die Aufgabe der Kultur, solche Dinge zu klären, vor den Institutionen und Machtstrukturen.“ Decker, der sich in seiner Arbeit von philosophischen Ansätzen leiten lässt, denkt hier offenkundig auch in politischen Dimensionen. „Ich glaube, dass Kunst die zentrale Aufgabe hat zu bewegen“, sagt er: „Nicht nur emotional. Kunst muss ihre Kraft und Dynamik der Erstarrung entgegensetzen.“
Christoph Schlingensief inszeniert „S.M.A.S.H. – in Hilfe ersticken“
Die Eröffnungs-Inszenierung spürt der Liebe und ihrer Umwandlung in Spiritualität nach. Der Lyriker Albert Ostermaier hat ein Stück nach dem persischen Epos „Leila und Madschnun“ geschrieben, es erzählt von einer unmöglichen Liebe, ähnlich wie bei Romeo und Julia. Der palästinensisch-israelische Komponist Samir Odeh-Tamimi schrieb die Musik dazu und Decker inszeniert.
Die zweite Uraufführung kommt von Christoph Schlingensief. 2008 riss er das Publikum mit „Eine Kirche der Angst“ hin – und verstörte es, jetzt entwirft er mit „S.M.A.S.H. – in Hilfe ersticken“ eine Vision vom Wachsen seines Operndorfes in Burkina Faso.
Starkes Stück: „Die Blechtrommel“ auf der Bühne - Grass ist beteiligt, Jan Bosse inszeniert
Ein weiteres starkes Stück: „Die Blechtrommel“, für die Bühne eingerichtet von Armin Petras, Grass ist daran beteiligt. Jan Bosse inszeniert.
Es gibt einen Schwerpunkt Tanz mit William Forsythe und einer Kooperation mit PACT Zollverein; das gab es so noch nie. Es gibt ein Barock-Jazz-Konzert mit Christina Pluhar und dem Countertenor Philippe Jaroussky, es gibt Century of Song mit Musik aus dem orientalischen Raum. Außerdem Lesungen: aus der Urfassung der „Satanischen Verse“, aus Goethes West-östlichem Diwan. Und noch einmal Schlingensief: Er liest aus „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein.“
Und dann gibt es noch Hans Werner Henzes Oper für die Kulturhauptstadt, „Gisela“, die in der Jahrhunderthalle uraufgeführt wird; Pierre Audi inszeniert, Steven Sloane hat die musikalische Leitung. Dazu sagt Decker mit Nachdruck: „Wir sind Teil der Kulturhauptstadt, und wir sind sehr gern dabei.“ Das ist nach den Querelen früherer Jahre um den Stellenwert des Festivals innerhalb von Ruhr.2010 ein kluger, versöhnlicher Ton.
Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU), der zur Präsentation des Programms gekommen war, fand ebenso warme Worte: „Willy Decker bleibt sich treu – wir sind froh, dass er diese wunderbare Arbeit hier macht.“ Er fügte hinzu: „Kontinuität ist in der Kultur zur Zeit alles. Das Land kürzt seinen Kulturetat in der Krise nicht; wir verstehen das auch als Zeichen für die Städte.“