Essen. .

Die Vorstände sind gegangen, die Pleitenverwalter sind gekommen – geblieben ist im einstigen „Allerheiligsten“ der Essener Karstadt-Zentrale die Kunst. Jetzt soll die über 470 Werke zählende Sammlung des insolventen Warenhauskonzerns versteigert werden.

472 Werke hat der Warenhauskonzern im Laufe der Jahrzehnte erworben, abstrakte Gemälde von Emil Schumacher und Victor Vasarely, Expressionistisches von Christian Rohlfs. Und ein vier Meter breites Schuhregal-Foto von Andreas Gursky: Schreibtisch-Panorama für die einzige Frau im Vorstand.

Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg will Karstadt bis zum 30. April verkauft haben – aber ohne die Kunst. Weil sie den Wert des Unternehmens nicht nennenswert steigere. Der Millionenerlös, auf den man bei einer Auktion gleichwohl hofft, soll an die Gläubiger gehen. Doch der Fundus birgt, neben einem Spitzenwerk wie Ernst Wilhelm Nays „Chromatischen Scheiben“ im großen Sitzungszimmer (1969 für 90 000 Mark angeschafft, heutiger Schätzpreis: bis zu 800 000 Euro) auch viele preiswertere Grafiken.

Dass große Unternehmen sich mit großer Kunst schmücken, ist nicht ungewöhnlich. Manche Firmen können mit ihrer Sammlung sogar eigene Museen bespielen, wie der Autobauer Daimler mit seinem Daimler Contemporary in Berlin. Gesammelt wird seit 40 Jahren, bei den 1800 Arbeiten von 600 Künstlern wie Oskar Schlemmer und Josef Albers liegt ein Schwerpunkt auf der abstrakt-konstruktiven und konzeptuellen Kunst.

Bei der Deutschen Bank kümmert man sich seit 30 Jahren schwerpunktmäßig um Arbeiten auf Papier. Vertreten ist das Who ist Who der deutschen und internationalen Kunstszene von Uecker bis Richter, von Polke bis Penck. In Zukunft wolle man „noch jünger und internationaler“ werden, so ein Sprecher. Denn trotz Wirtschaftskrise: an der Kunst werde nicht gespart!

Über den jährlichen Ankaufsetat wird nicht geredet, doch viele Museen dürften von den Möglichkeiten nur träumen, mit denen in Frankfurt ein kleines Team die größte Unternehmenssammlung der Welt aufgebaut hat, mit inzwischen 56 000 Arbeiten.

Ein Teil davon ist in der 1997 gegründeten deutschen Guggenheim-Niederlassung in Berlin beherbergt. Der große Rest davon ist über die ganze Welt verstreut: in den über 900 Deutsche Bank-Gebäuden und in 28 Museen, Galerien, Kulturinstitutionen. Ge­sammelt wird schließlich nicht nur für den Vorstand oder fürs Depot, sondern um in den Dialog mit der Öffentlichkeit zu treten: Kunst als Brückenschlag in die Gesellschaft. Als Anlage- oder Spekulationsobjekte sind die Werke in den seltensten Fällen gedacht.

Weltrekord mit Giacometti eingekauft

Trotzdem wechselt Unternehmenskunst immer mal wieder den Besitzer, wenn auch nicht immer so spektakulär wie im Fall der Commerzbank. Die übernahm mit der angeschlagenen Dresdner Bank nicht nur finanzielle Verpflichtungen, sondern auch eine respektable Kunstsammlung. Zu den 3000 Arbeiten, vorwiegend zeitgenössischer Künstler wie Per Kirkeby, Franz Ackermann, Dan Flavin und James Turrell gehörte auch der „Schreitende Mann” von Alberto Giacometti.

Als man die lebensgroße Bronzeplastik vor zwei Monaten bei Sotheby’s zum Kauf anbot, gab es einen unerwarteten Geldsegen: Umgerechnet 75 Millionen Euro zahlte ein anonymer Bieter für das Werk des Schweizer Bildhauers: Weltrekord! Trotz dieses spektakulären Kunst-Coups seien weitere Auktions-Verkäufe in absehbarer Zeit nicht vorgesehen, hieß es gestern aus der Frankfurter Konzernzentrale. Ohnehin werden mit dem Geld keine Börsenlöcher gestopft. Der Erlös soll direkt in Stiftungen und Museumskassen fließen.