Berlin.

Na dann, Mahlzeit: Reden und Essen, die beiden menschlichen Grundbedürfnisse, stecken seit Jahrhunderten in einer schwierigen Paarbeziehung. Eine Berliner Ausstellung versucht sich jetzt als Therapeut.

Red nicht, iss. Und nimm den Mund nicht so voll. Kau erst mal. Außerdem ist das kein Thema fürs Essen. Das hat ja wohl Zeit bis nachher. Na dann, Mahlzeit: Reden und Essen, die beiden menschlichen Grundbedürfnisse, stecken seit Jahrhunderten in einer schwierigen Paarbeziehung. Eine Ausstellung im Berliner Museum für Kommunikation versucht sich jetzt als Therapeut.

Wie beim Analytiker haben die Kuratoren des Berliner Museums für Kommunikation erst lange gesammelt, dann sortiert: Die Ausstellung „kochen – essen – reden – satt?” schlendert vom Imbiss zur Kantine, von der Picknickdecke bis ins Kochstudio, serviert soziologische Häppchen und kocht anekdotische Süppchen und kriegt dennoch den Hals nicht voll: Hier wird übers Essen geredet und darüber, wie übers Essen geredet wird und wie das Gerede am Ende temperiert ist: pessimistisch (der Mensch isst Chips, die Glotze läuft) oder optimistisch (zwei Dutzend Kochgurus weisen den rechten Weg). Und weil man es sich mit keinem dieser Lafers, Wieners, Mälzers verderben will, fragt der Katalog bloß vorsichtig: „Wird hier medial kompensiert, was real verlernt wird?”

Macht Schokolade dick oder glücklich?

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Die Ausstellung kommt gerade recht: Die Ostereier sind aufgegessen, der Cholesterinspiegel sinkt – dafür steigt die Lautstärke vor dem Tiefkühlregal, in der Kantine und am Küchentisch: Die Bikini­figur! Die Ökobilanz der spanischen Erdbeeren! Analog­käse! Rohschinkenattrappen! Und schließlich, die Mutter aller Diätkrisen: Macht Schokolade dick oder glücklich?

Die wichtigste Frage jedoch bleibt auch in dieser Ausstellung unbeantwortet: Das Reden übers Essen schwillt an, aber was ist mit dem Reden beim Essen? Stirbt das Tischgespräch oder blüht es gerade erst wieder auf? Wer hat am Ende die Nase vorn: Die Freunde der Wohnküche, die Verfechter des Abendbrots und die Hüter des Käsefondues? Oder die anderen, die stummen Esser. Die mit dem Pizzakarton vor dem Fernseher sitzen oder ihre Mahlzeiten allein und von vornherein nur noch „to go”, also unterwegs reinschieben.

Sind drei Sätze an der Pommesbude ein Tischgespräch?

Wenn die Sache mal so einfach wäre. Denn, wo rechnet man die Zwitter ein: Sind die zwei, drei Hauptsätze an der Pommesbude ein Tischgespräch? Vielleicht eher als der rituelle Dialog beim Reihenhausgrillabend. Gutes Essen, schlechtes Essen, Gespräch oder Gelaber – am Ende also mal wieder alles eine Frage des Geschmacks und der persönlichen Blutwerte. Dabei reicht’s beim Freiluftfuttern zumindest locker zum Subkulturgut: Irgendwann landet schließlich jeder Tatort-Ermittler an der Currybude und rührt so lange mit Pommes in der Tunke, bis das unterzuckerte Gehirn wieder kriminalistisch rund läuft. Und, schon vergessen? Die deutsch-amerikanische Freundschaft wäre nichts als ein lauwarmer Dinkelbratling, wenn nicht Angela Merkel und George W. Bush eines Abends im vorpommerschen Trinwillershagen den Grill angeschmissen hätten.

Goethe und die Liebe zum Tischmülleimer

Die Feldküche, das Refektorium, die Kantine, die Mokkabar – historisch gesehen hat der Mensch jedenfalls öfter mit anderen gegessen als allein. Und nach wie vor gilt: Ob Suppenküche oder TV-Dinner, Kindergeburtstag oder Kerzenlichtmenü, wenn sich Menschen zum Essen treffen, sperren sie den Schnabel auf und schnattern los. Selbst dann, wenn die anderen, nun ja . . . Mister Winterbottom? Admiral van Snyder? Schmeckt’s Ihnen etwa nicht, Sie sind so still?!

Das schönste Ausstellungsstück in Berlin ist übrigens Goethes geflochtener Picknickkorb. Der Rumtreiber schätzte ihn sehr („Er fasst mehr als man denken sollte”) und konnte sich an ihm nicht satt sehen. Denn auch das gehört zum großen Futterpalaver: Die Utensilien und ihre Beschwörung. Die Pfannenlyrik, die Messerpoesie und, nun ja, auch die Liebe zum Tischmülleimer.