Dortmund. .

Über zwanzig Jahre nach der Gründung seines Grafit-Verlages geht Rutger Booß nun in den Ruhestand. Sein Alter (66) hält er für einen guten Zeitpunkt, das Geschäft mit den Regionalkrimis an den Nagel zu hängen. Im Herbst wird ihm noch der der wichtigste deutsche Krimipreis, der Ehrenglauser, verliehen.

Das Telefon klingelt in Rutger Booß’ Büro an der Chemnitzer Straße. „Was möchten Sie verkaufen“, fragt der Chef des Dortmunder Grafit-Verlags, bereit, den Anrufer freundlich aber bestimmt abzuwimmeln: „Nein, wir sind an keiner Fuhrparkerweiterung interessiert. Wir sind ein kleiner Verlag mit sechs Mitarbeitern. Wir haben einen Dienstwagen, das reicht vollkommen.“ Dass er mit solchen Anrufen und überhaupt dem ganzen „Geschäftsführungskleinkram“ bald nichts mehr zu tun habe, darüber sei er besonders froh, meint Rutger Booß, als der Hörer wieder auf der Gabel liegt. Damit muss sich demnächst seine langjährige Mitarbeiterin Ulrike Rodi herumschlagen, die zukünftige Chefin bei Grafit.

Rutger Booß erhält im Herbst den Ehrenglauser, den wichtigsten deutschen Krimipreis.
Rutger Booß erhält im Herbst den Ehrenglauser, den wichtigsten deutschen Krimipreis.

Über zwanzig Jahre nach der Gründung seines Verlages geht Rutger Booß nun in den Ruhestand. Sein Alter – am 17. März feierte der Verleger seinen 66. Geburtstag – hält er für einen guten Zeitpunkt, das Geschäft an den Nagel zu hängen. Teilzeitverleger wolle er auf keinen Fall werden. „Das hat in einer kleinen GmbH überhaupt keinen Sinn“, meint Booß, „entweder man ist voll dabei oder gar nicht“. Zum 31. März packt er deshalb seine Sachen. „Viel mehr als eine Kiste wird das nicht sein“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Ob Zufall oder nicht – pünktlich zu seinem Abschied bekommt der Verleger wegen seiner Verdienste um den deutschsprachigen Krimi im Herbst mit dem Ehrenglauser den wichtigsten deutschen Krimipreis verliehen. Denn deutsche Krimis sind nicht nur Spezialgebiet des Grafit-Verlags, ganz nebenbei hat Booß im Laufe der 20 Jahre eine ganz neue Gattung erfunden: den Regionalkrimi.

Regionalkrimi als großer Irrtum

Für ihn sei das nie eine besondere Marketingstrategie gewesen. „Der Regionalkrimi war vielmehr ein großer Irrtum“, lacht der Grafit-Chef, „ein Abfallprodukt einer politisch motivierten Krimi-Reihe“. Die sollte mit „Das Ekel von Datteln“ starten, einer Gemeinschaftsproduktion der Bochumer Krimiautoren Reinhard Junge und Leo P. Ard, damals beide politisch so weit links positioniert wie der bekennende Alt-68er Booß. Wichtiger beim „Ekel“ sei die politische Intention gewesen, der regionale Bezug spielte eigentlich keine Rolle. Dagegen waren die Krimierzählungen „Die Meute von Hörde“ deutlich als Verneigung vor den Standort des Verlags zu verstehen. Die beiden Krimis verkauften sich gleich auf Anhieb, im Gegensatz zu den Sachbüchern, die ebenfalls zum Startprogramm des Grafit-Verlags gehörten und Booß sehr am Herzen lagen. „Wir hatten zum Beispiel ein wunderbares Buch über Kolumbus“, schwärmt der er noch heute.

Preisgekrönte
Romane

„Doch der Markt sprach“, deklamiert Booß mit erhobenem Zeigefinger, „lass die Finger von Sachbüchern, mach Krimis – am besten Regionalkrimis“. Booß tat, wie ihm geheißen und wurde mit steigenden Verkaufszahlen und preisgekrönten Romanen belohnt. Heute steht er dem Regionalkrimi allerdings eher zwiespältig gegenüber. Den Leser interessiere oftmals eher, wo der Krimi spielt, als seine Qualität. „Mittlerweile leiden wir etwas darunter“, räumt der Verleger ein. „Uns ist schnurzegal, wo der Krimi spielt“, erklärt Booß entschieden. Die Qualität müsse stimmen. Doch darauf zu setzen, berge immer ein gewisses Risiko. Eines, das Booß bald nicht mehr tragen muss.

„Ich hoffe nicht, dass ich Entzugserscheinungen bekomme“, meint der Verleger angesichts seines nahenden Ruhestands. Neben Kino-, Museums- und Ausstellungsbesuchen, für die er nun endlich Zeit habe, freue er sich vor allem aufs Reisen. Als erstes geht es mit seiner Frau nach Ost-Kanada. Danach stehen Australien, Neuseeland, Ostasien und Südamerika auf dem Programm. Dem Literaturbetrieb ganz den Rücken zu kehren, hat der studierte Germanist dann aber auch nicht im Sinn. Rezensionen wolle er jetzt wieder mehr schreiben und Ideen für ein Sachbuch spuken ihm auch schon im Kopf herum. „Ich werde wahrscheinlich so ein unausstehlicher Rentner, der immer unterwegs ist und immer zu tun hat“, lacht der 66-Jährige.