Oberhausen. .

Das Bühnenbild ist längst nicht mehr mit der Bühne allein zufrieden. Mit einem Gemisch aus Ranken, Geäst und Zahnrädern wu­chert es bis in den Zuschauerraum. Und wenn die zahllosen Lampions darin in strahlendem Grün aufflammen, legt das Musical „Wicked – Die Hexen von Oz“ so richtig los.

Gewuchert wird bei diesem Spiel um Hexenkunst und He­xenwahn mit so ziemlich al­lem. Die farbenprächtigen Ko­s­tüme, größtenteils noch an Biedermeier erinnernd, zeugen von immensem Einfallsreichtum, Lichteffekte setzen dramatische Akzente, Hintergrundprospekte deuten das Phantasieland Oz mit vielen Zwiebeltürmen als stark russisch beeinflusst.

„Wicked“, für die Bühne entwickelt nach einem Bestsellerroman von Gregory Maguire, bietet hauptsächlich die Vorgeschichte zum legendären „Zauberer von Oz“, unsterblich geworden durch Victor Flemings Verfilmung von 1939. Zentrales Thema dieses Musicals, zu dem Stephen Schwartz Musik und Songtexte beisteuerte, ist die Beziehung und die Rivalität zweier junger Damen, die das Hexenhandwerk erlernen möchten, dabei aber unterschiedlicher nicht sein könnten.

Erstaunlich düstere Themen für ein Musical

Glinda (Joana Fee Würz) ist dabei die Fleisch gewordene blonde Bar­biepuppe, ungemein von sich selbst begeistert und ihr vermeintliches Glück ständig ausposaunend. Elphaba (Willemijn Verkaik) hingegen ist das ernste, verschlossene Ge­genteil, von Geburt an mit dem Makel behaftet, eine grüne Hautfarbe zu besitzen. Nun sollte man meinen, dass in einem Land mit grünschillernder Hauptstadt („Smaragdstadt“) diese Farbe einen nicht unbedingt zum Außenseiter werden lässt. Muss aber nun einmal so sein, damit aus der eher düsteren Elphaba die tragische Figur des Stücks werden kann.

Im­mer stärker in die Isolation ge­trieben, würde sie beinahe auf die dunkle Seite der Macht wechseln, wenn sie da nicht plötzlich die Liebe des feschen Prinzen Fiyero verspüren würde.

Für ein Musical werden hier erstaunlich düstere Themen be­rührt. Der Zauberer von Oz beispielsweise, von dem wir ja bereits wissen, welch jämmerliche Gestalt sich dahinter verbirgt, geriert sich hier als neuer „Führer“ eines nach Lenkung lechzenden Volkes. Das Er­gebnis: Die intelligenten Tiere von Oz, der Sprache äußerst mächtig, dürfen nicht mehr lehren und werden von grauen Schergen offenbar einer Sonderbehandlung unterzogen, nach der sie auch ihre Artikulationsfähigkeit verloren ha­ben. Dass der Zauberer hier auch mal tanzt, tut seinem Faschismus keinen Abbruch, das hat Charlie Chaplin als „Der große Diktator“ auch schon getan.

Einziger Schwachpunkt: die Musik - Stephen Schwartz ist kein Stephen Sondheim

Womit wir bei der Musik wären, vielleicht der einzige Schwachpunkt dieser ansonsten prall unterhaltenden Produktion, die in Deutschland zu­vor nur in Stuttgart zu sehen war. Stephen Schwartz ist nun mal kein Stephen Sondheim, nur von wenigen seiner hier verwendeten Songs könnte man behaupten, dass sie ins Ohr gehen. Vor allem Willemijn Verkaik und Joana Fee Würz, die beiden versierten Hexen-Antipoden, versuchen deshalb mit ihren starken Stimmen genügend Dramatik zu erzeugen, um dieses Manko galant zu umspielen.

„Wicked“ ist keine in Oberhausen entstandene Produktion. Wie bei großen, teuren Musicals üblich, ist die Fassung der Uraufführung (hier: Broadway 2003, Regie: Joe Mantello) das Nonplusultra für alle künftigen Fassungen. Das geflügelte Wort vom „Broadway an der Ruhr“, hier stimmt es ausnahmsweise mal ganz genau.