Düsseldorf.
Eine Opernpremiere kurzerhand zum Konzert umzumünzen, weil der Hausherr die Regie unfertig findet, kommt in der kostspieligsten aller Bühnenkünste selten genug vor. Letzten Herbst geschah es in Duisburg. Da zog der neue Intendant Christoph Meyer für „Rigoletto” die Reißleine. Nun folgte die Düsseldorfer Premiere - mit Szenen.
Am Wochenende fand sie statt – und man darf sagen: Der Berg kreißt und gebiert eine Maus. Die Inszenierung einer der mitreißendsten Opern Giuseppe Verdis ist in David Hermanns Händen kaum mehr als ein Psycho-Fragment. Alexander Polzin hat ihm eine sehr ästhetische und sehr graue Allerweltsbühne gebaut, in der freilich alle Welt spielen könnte – Traviata zum Beispiel, schon wegen der Legion von Schaufensterpuppen, eine Armee der Austauschbaren, Projektionsfläche für Männer- und also Machtfantasien.
Doch dem kühlen, oft puppenmechanisch wirkenden Zugriff Hermanns entgleitet eine der heißblütigsten Operngeschichten. Rigoletto, williger Narr eines weiberfressenden Herzogs, wird erst in Gestalt seiner Tochter Gilda Opfer seines Herrn. Aus Witz wird Wut, aus Mätzchen Mord. Durch einen haarsträubenden Opfertod stirbt nicht sein Feind, sondern der einzige Mensch, den er liebt: Gilda.
Schiefe Chiffren
Gewiss: Hermann sucht nach Chiffren, diese emotional aufgeladene Geschichte neu zu erzählen, ihr bestenfalls überzeitliche Dimensionen zu schenken. Manche treffen, wie das Bild des Krüppels, der sich allein bei Hofe krumm stellt, während der Staat längst auf devote Weisen missgebildet ist. Andere sind schief, dritte laufen der Tagesschau nach. Dazu zählt der blöde Versuch, Rigolettos Zuhause nach Amstetten zu verlegen: Gilda vegetiert in einem Kellerverlies aus Stahlblech. So stempelt Hermann einen liebenden Vater zu Fritzls buckliger Verwandtschaft – falsch und sinnlos für die Oper.
Dem Abend, dessen einst von der Zensur bedrohte Geschichte magisch auf die Katastrophe zusteuert, fehlt in weiten Teilen verstörende Binnenspannung. Hermanns An- und Einsichten über Folterspiele im Alltag der Macht, über Selbstliebe und Doppelgänger verfehlter Sehnsüchte bleiben episodenhaft. Schlimmer noch: Sie lassen kalt.
Es spielt tapfer gegen den Laborversuch an: Boris Statsenkos Rigoletto. Ein einnehmend schwarztöniger Bariton mir Mordsresourcen. Als Vatertier brüllt er sich imposant die Seele aus dem Leib, der Mann fürs vokale Kammerspiel ist er nicht. Andrej Dunaevs Herzog besitzt diskreten Schmelz, hat aber im Schlussakt zu kämpfen.
Ein Ereignis und guter Grund, die Rheinoper zu besuchen, ist Olesya Golovnevas Gilda. Da wird eine Stimme Charakter, mit warmen, sanft verschleierten Spitzentönen des „Caro nome“, Melancholie statt Koloraturkristall: fabelhaft! Dies über das hemdsärmelige Dirigat von Johannes Debus zu sagen, fällt schwer. Er verordnet Düsseldorfs Symphonikern eine aufdringliche Schmissigkeit, oft ohrenbetäubend knallig. Das Orchester, es folgte – unter hörbaren Schwierigkeiten.