Essen. .

Erich Knocke hat ein besonderes Hobby. Er ist Sammler der leuchtend-bunten Kirmeswelt . Sein Hobby teilt er gern mit anderen: Der 83-jährige ist die Seele des Markt- und Schaustellermuseums in Essen.

Von außen wirkt das Haus in der Nähe des Essener Hauptbahnhofes unscheinbar. Doch tritt man ein, so tut sich eine wahre Wunderwelt auf: Kirmeskarussells, Karussellpferde, Orchestrien, Zugmaschinen, Spielautomaten, Drehorgeln, Rückenklaviere, Marionetten, alte Marktkarren und Marktutensilien aller Art. Es ist unglaublich, welche Fülle an Exponaten das Markt- und Schaustellermuseum präsentiert. „Ziemlich alles, was es mal gegeben hat, haben wir“, sagt Erich Knocke, der sie zusammengetragen hat. Der 83-jährige Knocke ist der Gründer des Museums. 5000 große und kleine Gegenstände sind in Essen zu besichtigen.

Einmalig und weltbekannt

In einer großen Halle und einigen kleineren Nebenräumen, die so vollgestopft sind, dass nur wenige schmale Gänge durch sie hindurchführen, erinnern sie an den Kirmeszauber vergangener Tage. „Unsere Einrichtung ist in Deutschland in diesem Umfang einmalig und weltbekannt“, sagt Knocke. Die Bibliothek mit mehr als tausend Bänden und die grafische Sammlung, die als die größte der Welt zum Thema Markt und Schaustellerei gilt, haben dazu beigetragen.“Ich arbeite lieber im Hintergrund“, sagt Erich Knocke bescheiden. Dann erzählt er doch: „Mein Großvater hatte eine Völkerschau, mein Vater eine Schaubude, in der er Hypnose betrieben hat.“ Als Kind ist er mit dem Vater oft von Ort zu Ort gezogen und infizierte sich dabei mit dem Kirmes-Virus.

Es begann mit einer Schiffschaukel

„Nachdem ich Ende 1945 aus der Kriegsgefangenschaft gekommen war, habe ich erst ein wenig Handel getrieben und dann eine Schiffschaukel gebaut“, schildert er den eigenen Start als Schausteller. Mit der Schiffschaukel, später mit einem Kinderverkehrsgarten und einer Motorrollerbahn war er auf den Jahrmärkten präsent. Gebrannte Mandeln und andere Süßwaren hat er auch verkauft. Noch heute zieht er mit einem Kinderkarussell über die Festplätze der Region. Irgendwann, vor 50, 60 Jahren, fing er mit dem Sammeln an. „Man hebt erst mal auf, was man selber nicht mehr braucht. Dann sieht man beim Nachbarn, der will was wegwerfen“, schildert er die Anfänge.

„Dann benötigt man einen Lagerplatz und fängt an zu restaurieren. Und jetzt ist das so groß geworden, dass man darüber gar nicht mehr Herr wird“, staunt er selbst.Auf die Frage, warum er das alles gemacht hat, antwortet er mit kaum zu überbietendem Understatement: „Es ist ein gewisses Interesse.“ Aber natürlich steckt eine große Leidenschaft für den Schaustellerberuf und seine Geschichte dahinter. Von einer romantischen Verklärung des Schaustellerberufs ist Knocke dabei weit entfernt: „Drei Tage und zwei Nächte durcharbeiten, das war früher an der Tagesordnung. Das Leben auf den Plätzen war rau. Wasser und Strom musste man sich von Anliegern erbetteln.

Ein Leben im Wohnwagen

Die Wohnwagen wurden im Winter mit Holz und Kohle beheizt, die abgeteilten Schlafzimmer waren immer feucht.“ Da kommen ihm die heutigen mobilen Wohnungen wie Salons auf Rädern vor.Doch auch heute gilt: „Es ist ein hartes Leben. Aber man hängt dran, ist damit großgeworden.“ „Schaustellerei ist eine versinkende Kultur. Erich Knocke will da gegensteuern“, sagt Brigitte Aust. Die Diplombibliothekarin arbeitet ehrenamtlich im Museum mit, kümmert sich um die Büchersammlung und schreibt in einem Newsletter über herausragende Ausstellungsstücke. Früher hat sie Knocke für ausgesprochen stur gehalten. Heute weiß sie: „Meistens hat er recht. Er setzt Berge in Bewegung.“

Sein Wunsch: Ein doppelt so großes Gebäude

Zwei ehrenamtliche Kräfte und der Gründer, der auch kein Honorar bekommt - das ist das ganze Personal des Museums. Es kann deshalb nur nach Voranmeldung besucht werden. Die Miete wird von der Stadt finanziert. Alles andere trägt ein privater Verein. Für die angemessene Präsentation der Schätze reicht das vorne und hinten nicht. „Ein doppelt so großes Gebäude“ wünscht sich Knocke deshalb an erster Stelle und weiß, dass die Chancen im Zeichen leerer öffentlicher Kassen schlecht stehen. Wie lange er weitermachen will? „Bis ich umfalle“, sagt Knocke und lacht. Wen die leuchtend-bunte Kirmeswelt einmal gepackt hat, den lässt sie eben nie mehr los. (ddp)