Herne.

Zum Kulturhauptstadtjahr wird in Herne eine Burg nachgebaut. Sie soll Teil werden der Mittelalterausstellung, die bis Ende November nicht nur mit „Aufruhr 1225“ titelt, sondern auch von „Rittern, Burgen und Intrigen“ berichten will.

Noch steht sie leider nicht, die Motte, die bald auf dem fünf Meter hohen Hügel neben dem LWL-Museum für Archäologie in Herne aufragen und davon künden soll, was sich hinter den Mauern nebenan abspielt. Motte, das hat in diesem Fall weder etwas mit dem gleichnamigen Insekt noch mit den dazu passenden Kugeln zu tun. Historiker wissen, dass sich dahinter auch ein mittelalterlicher Burgtyp aus Holz verbirgt, „das Fertighaus des Mittelalters“, wie LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch es mit einem Augenzwinkern nennt. Und eine solche Motte soll begehbarer Teil werden der Mittelalterausstellung zum Kulturhauptstadtjahr, die ab morgen bis Ende November nicht nur mit „Aufruhr 1225“ titelt, sondern auch noch von „Rittern, Burgen und Intrigen“ berichten will. Kein Wunder, dass da die Schau zudem mit elf Burgen der Region kooperiert, darunter das Schloss Moers und das Schloss Borbeck in Essen.

Wie ein Wallace-Krimi

Ein Ausstellungsstück im Modell - zeigt das Dortunder Westentor. Foto : Jakob Studnar
Ein Ausstellungsstück im Modell - zeigt das Dortunder Westentor. Foto : Jakob Studnar © Unbekannt | Unbekannt





Blutige Zeiten waren es schon anno 1225, als in der Abenddämmerung des 7. November der zweitmächtigste Mann im Reich, der Kölner Erzbischof Engelbert, nahe der heutigen Stadt Gevelsberg gemeuchelt wurde. Einer Drahtzieher dieses eines Edgar Wallace-Krimis würdigen Schauspiels war Friedrich von Isenberg; lachende Dritte: die mit allen Wassern gewaschene Essener Äbtissin Adelheid. Und wie üblich ging es um - Macht! Genauer gesagt um die Hoheit über das Stift Essen. Der „Aufruhr“ war nach der Tat jedenfalls in vollem Gang, und die Region zersplitterte laut Museum „in 15 bis 20 selbstständige Territorien“.

Rund 1000 Exponate haben die Macher auf insgesamt 1500 Quadratmetern zusammengetragen. Unter den herausragenden Stücken der 1,7 Millionen Euro teuren Schau befindet beispielsweise einer von zwei Topfhelmen, die mit Schmuck erhalten sind, zudem ein 163 Kilogramm schweres Wurfgeschoss und der sogenannte „Cappenberger Kopf“, dessen Abbild Friedrich I. Barbarossas als älteste individuelle Plastik eines deutschen Kaisers gilt. Bemerkenswert auch eine Abschrift des „Sachsenspiegels“, des ältesten mittelalterlichen Rechtstextes, aus dem Jahr 1444, die aus konservatorischen Gründen nur sechs Wochen im Jahr öffentlich gezeigt werden darf. Sie wird daher nur in den ersten Wochen der Schau zu sehen sein.

Immer aber ist es jene Geschichte um die Engelbert-Verschwörung, anhand derer sich die ambitionierte Schau dem komplexen Themenfeld Mittelalter nähert. Und es mit didaktischem Fokus in familiengerechten und massenkompatiblen Häppchen serviert. So setzen die Kuratoren zum Beispiel auf düstere Gänge, mit rotem Grusellicht illuminiert, um den Mord an Engelbert erfühlbar zu machen, auf metallene Schattenrisse der jeweiligen Protagonisten, die von „ihrer“ Sicht der Dinge berichten und auf einen großen Mitmachteil, bei dem der Papa im Kettenhemd zu Schwert und Schild greifen, die Mutter auf der Strohmatratze Platz nehmen und das Töchterlein das Holzpferd satteln kann.

Heute, so scheint es, wird der Ritter zum Popstar in einer Historienshow und der Herold zu seinem Anchorman. Doch eine Konzeption wie diese, nach angloamerikanischem Vorbild, „ist in Deutschland immer öfter zu sehen“, betont der wissenschaftliche Leiter Stefan Leenen. Nicht ganz zu Unrecht. Denn eines muss man dieser Art der Präsentation lassen: Sie macht nicht nur Historie erfahrbarer, sondern zeigt, dass Geschichte weit mehr ist und kann als die Zahlenkolonnen der eigenen Schulzeit.