Dortmund. .

Ein wahre Welle aus kulturellen Highlights soll zum Kulturhauptstadtjahr eine Woge der Begeisterung über die Grenzen des Ruhrgebiets hinweg spülen. Da so eine Riesenwelle aber auch Altbekanntes zurück an die Oberfläche tragen kann und Holz sowieso oben schwimmt, haben wir einen Blick in die Literatur gewagt. Genauer: Das Ruhrgebiet spielt schon lange eine Hauptrolle im sogenannten Heimat-Krimi.

Mit drei ausgewählten Krimis aus diesem Genre lässt sich das Bild des Ruhrgebiets im Roman über fast 25 Jahre verfolgen. Jürgen Lodemann schrieb als einer der ersten Autoren 1975 über seine Heimat. Sein Krimi „Anita Drögemöller und Die Ruhe an der Ruhr“ spielt 1970 in Essen.

Ruhrpott-Slang gehört nicht immer dazu

Die junge Prostituierte Anita Drögemöller hat es aus den Arbeitervierteln der Essener Nordstadt ins beschauliche Bredeney geschafft. Um den Fängen der Verbrecherbande, zu der auch sie gehörte, endgültig zu entfliehen, will sie auspacken. Ihre Geschichte erzählt sie im schwärzesten Ruhri-Slang. – Hier ist die Bergarbeiter-Sprache noch lebendig und entlarvt die Nähe ihrer Sprecher zum Arbeitermilieu.

Jürgen Lodemann zeichnet in seinem Krimi das Bild des einstigen Malocherpotts nach. Der Kohlestaub liegt noch über dem Stadtkern, die Uni befindet sich gerade im Aufbau, der Wandel des Ruhrgebiets lässt sich schemenhaft hinter dem Industrie-Smog erahnen.

Die Dortmunder Autorin Gabriella Wollenhaupt schreibt seit 1993 über ihre Reporter-Schnüfflerin Maria Grappa und ihren natürlichen Lebensraum, das Ruhrgebiet. Im jüngsten Werk dieser Reihe „Grappas Gespür für Schnee“ geht es um eine kokainsüchtige Stadtbedienstete, die umgebracht wird, weil sie zu viel über das wilde Treiben im Dortmunder Rathaus weiß.

Einsatzort wird als
Heimat geschildert

Anders als Jürgen Lodemann, der sich in den Essener Stadtplan und die Ruhr-Grammatik vergräbt, schildert Wollenhaupt den Einsatzort ihrer Ermittlerin eher beiläufig. In ihren Krimis spiegelt sich der routinierte Blick des Einheimischen, der sich nicht mit den Details aufhält. Diese Perspektive gilt sowohl für die Ermittlerin als auch für die Autorin selbst. Die indirekte Darstellung des Handlungsortes ergibt sich aus wenigen eingestreuten markanten Ortsmerkmalen wie der Universität, dem Fernsehturm, dem Flughafen und der Häufung von gleich drei verschiedenen Zeitungstiteln. Indem die Autorin all diese Ortsmerkmale einstreut, beschreibt sie Dortmund als attraktive und vielseitige Großstadt, die auch Strahlkraft nach außen hat.

In Jörg Juretzkas Krimi „Bis zum Hals“ ermittelt der Privatschnüffler Kristof Kryszinski in eigener Sache: Auf einsamer Straße hat er einen Mann überfahren. Nur ist das kein tragischer Unfall, sondern Mord. Zwei Männer schubsten das Opfer gezielt auf die Fahrbahn. Die Geschichte spielt in Mülheim, wobei der Detektiv seine Streifzüge auch auf die Nachbarstädte Oberhausen, Essen und Duisburg ausdehnt – Stadtgrenzen spielen keine Rolle.

Der Roman ist im Stil eines hard-boiled-Krimis (siehe Infobox) erzählt. Der Autor konstruiert deshalb das Ruhrgebiet als raue unwirtliche Metropole, indem er den Fokus auf unsichere und sozial schwache Räume richtet. Die Atmosphäre ist durch allgegenwärtige Bedrohung und Angst geprägt.

Pure Bedrohung im
düsteren Pott

Die Kombination von weiter, städteübergreifender Struktur mit der Darstellung um sich greifender Verrohung weist den Schauplatz dieses Krimis als in jeder Hinsicht überdimensionale Großstadt aus. Das Bild, das der Autor vom Ruhrgebiet kreiert, ist das einer düsteren Metropole, in der Verwahrlosung, Anonymität und Gewalt vorherrschen. Regelmäßig schwächt der Autor diese fiktive Überzeichnung durch den liebevoll-ironischen Blick des Privatdetektivs ab: „So ist es halt bei uns im Ruhrpott“.

So ist es – und so ist es eben doch nicht, denn das eine, immer gleiche Ruhrgebiet gibt es nicht. Das Ruhrgebiet ist von vielen unterschiedlichen Landschaften, Städten, Menschen und Kulturen geprägt. Genau so spiegeln es die Romane wieder: Jeder Autor konzentriert sich auf einen anderen Aspekt. Doch eines ist ihnen gemeinsam: Sie alle zeigen den Pott nicht als platte Pappmaché-Kulisse, sondern als liebenswerte Heimat.