Bochum. .
Sommer in der Stadt, das heißt: Wieder mal vor die Haustür gehen und sehen, was die Umgebung zu bieten hat. Beispielsweise in Bochum, wo das Miteinander von Flora und künstlerischen Hochkarätern lockt.
Wenn jemand dem Bochumer sagen würde, er wohne in einer Stadt mit außergewöhnlichen Parkflächen, so würde sich dieser wohl nicht ganz ernst genommen fühlen. Oder an die Abstelletagen für Autos in der Stadtmitte denken. Und doch gibt es hier Grünanlagen, die andernorts selten oder gar nicht zu finden sind. Doch davon in Kürze . . .
Um zu frühstücken, bietet das Bermuda-Dreieck natürlich reichlich Gelegenheit. Ich wähle das Café Tucholsky, da dort eine internationale Karte nachempfinden lässt, wie zum Beispiel der Franzose, Engländer oder Italiener kulinarisch in den Tag startet. Kein schlechter Einstieg im Jahr der Kulturhauptstadt Europas. Außerdem ist es möglich, anschließend draußen einen kurzen Blick auf jenen unwirtlichen Ort zu werfen, der für das Bochumer Konzerthaus reserviert worden ist, das ein Highlight von „Ruhr.2010“ hätte sein können. Leider nichts draus geworden – noch nicht.
Eine Viertelstunde Fußweg, dann geht’s von der Alleestraße über eine große Freitreppe hinauf in den Westpark, der nicht von lieblicher Süße, sondern von einem herben, mitunter sprödem Charme bestimmt ist: die Wasserlandschaften sind von soliden Betonumrahmungen gesäumt, Treppen mit Roststahl-Platten flankiert. Und hinten aus der imposanten Jahrhunderthalle, dem NRW-Festspielhaus, wuchern die alten Rohre wie abgetrennte Lebensadern. Ein Park, wie es ihn nur im Ruhrgebiet geben kann. Er vereint auf faszinierende Weise Industrierelikte mit ausgedehnter Liegewiese, ein an Tschechow erinnerndes Birkenwäldchen mit einer im Schotterbett träumenden Gleisanlage. Hier wird Montan zur Muße.
Museum in Ruinen
Mit einer romantisch-anheimelnden Anmutung bezaubert anschließend der Park in Weitmar den Spaziergänger. Dichter Baumbestand, durch den sich die Wege winden, ein kleiner, blinkender Teich – eine Schlossruine: spätestens im Naturstein dieses Gemäuers indessen verlässt das lauschige Gelände des Adelsgeschlechtes derer von Berswordt-Wallrabe ganz entschieden den üblichen Rahmen: Mitten in das altehrwürdige Fragment ist das Museum „Kubus“ hinein gebaut worden, in dem derzeit eine erstklassige Ausstellung mit Landschaftsbildern vom 17. Jahrhundert bis in die Moderne zu besichtigen ist. Nicht nur hier vereint sich allerdings Historisches und Gewachsenes mit unserer Gegenwart. Skulpturen der Konkreten Kunst von Serra, Spagnulo oder Morellet stehen überall im Park auf Wiesen, an Weggabelungen oder auch ein wenig verborgen im Unterholz. Alle Zurückhaltung, die mancher gegenüber dieser (auch) rostbraunen Avantgarde empfinden könnte, mag sich hier – im Miteinander von Flora und künstlerischen Hochkarätern – in ein neugierig gestimmtes Wohlgefallen auflösen.
Spannende Islam-Ausstellung
Es wäre nun möglich, auch den obligaten Stadtpark zu besuchen und das angrenzende Kunstmuseum, in dem derzeit eine spannende Islam-Ausstellung gezeigt wird, doch soll der Weg nunmehr zu jener Jahrhundertskulptur führen, die heiß umstritten heute ein Wahrzeichen der Stadt geworden ist: Die Cortenstahl-Skulptur „Terminal“ von Richard Serra. Von Straßenverkehr am Hauptbahnhof umtost, künden die vier miteinander verkanteten tonnenschweren Platten stoisch von der Kraft der Kunst. Und wer sich dazu entschließt, die Skulptur durch den schmalen Schlitz zu betreten und drinnen nach oben schaut, der erlebt sein quadratisches Wunder.
Zum Schluss wenigstens auf einen Kaffee in den Tante-Emma-Laden von Elly Altegoer an der Farnstraße/Ecke Königsallee. Vorbei am Schauspielhaus („Sieht es nicht phantastisch aus?“) Ellys Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ist legendär. Hier wurde schon der junge Herbert Grönemeyer mit Bonbons versorgt. Intendant Matthias Hartmann – fremd in der Stadt – erlebte Elly als freundliche Seelentrösterin. Und für Armin Rohde ist das kleine, schnucklige Geschäft, in dem es von der Reißzwecke bis zur Scheuerbürste alles zu geben scheint, ohnehin „der schärfste Laden im Revier“. Gleich um die Ecke befindet sich übrigens die sogenannte Villa Wahnsinn, in der Gastregisseure und Schauspieler nächtigen – auch sie natürlich nicht selten Stammpublikum bei Elly. So nennt sie jeder, so darf sie jeder nennen.