Essen.

Die französische Schriftstellerin Marie NDiaye, die seit einigen Jahren in Berlin lebt, hat einen beeindruckenden Roman über drei Frauenschicksale zwischen Afrika und Europa geschrieben.

Abgemagerte, schwarzhäutige Flüchtlinge, die mit Leitern Zäune stürmen und an diesen erschossen werden: Wir tun alles, diese Bilder nicht an uns heranzulassen. Der französischen Schriftstellerin Marie NDiaye aber kann man sich kaum entziehen. Ihr Buch „Drei starke Frauen” hat seine Wurzeln im Senegal (wie NDiayes Vater) und nennt doch Frankreich seine Heimat, wo die Autorin aufwuchs; die drei Frauenschicksale ziehen uns unerbittlich aus dem sicheren europäischen Hafen ins weite Meer aus Wut und Schuld.

Anwältin Norah ist 38, sie lebt in Paris mit Tochter Lucie und ihrem deutschen Freund Jakob. Im Haus ihres Vaters in Dara Salam aber wird Norah wieder zur Tochter, die stets unerwünscht war. Im Gegensatz zu ihrem Bruder Sony – der als Fünfjähriger vom Vater aus Frankreich entführt wurde. Fortan lebte Sony in Luxus, doch wenn er den Namen seiner Mutter hörte, zitterte seine Unterlippe... NDiayes bilderreiche, poetische Sprache hebt die herzzereißende Geschichte in magische Höhen: Hier werden Menschen zu Vögeln und diese zu Himmelsboten.

Schlammtümpel Herz

Auch der mittlere Teil des Buches beginnt mit einem Vater, der eine Feriensiedlung betreibt und mit einer Französin verheiratet ist. Rudy, Sohn des Paars, wuchs auf in Dara Salam und heiratete dort Fanta; nach einem Zwischenfall – Lehrer Rudy prügelte sich mit seinen Schülern, es wird ihm, dem Weißen, Rassismus unterstellt – geht das Paar nach Frankreich, wo Fanta keine Arbeit findet und Rudy sie allein lässt: „Sein Herz war nichts als ein Schlammtümpel, und alles versank mit einem scheußlichen Gurgeln darin.”

Und doch ist Fantas dörflich-ödes Frankreich Ziel einer langen Reise, die die junge Witwe Khady unternimmt. Wie sie von der Familie verstoßen wird, wie sie ausgenutzt wird von ihren Fluchthelfern und schließlich stirbt an jenem Zaun, das würde die Grenzen des Erträglichen überschreiten, wenn NDiaye nicht nach jeder Geschichte einen Kontrapunkt setzen würde: ein Absatz, erzählt aus einer anderen Perspektive, der Hoffnung geben darf...

Was bleibt, wenn man dieses eindrückliche, sprachgewaltige Buch schließt? Der Eindruck von männlicher Macht, das Bild von Soldaten hinter einem ausgrenzenden Zaun – und die Idee einer weiblichen Ohnmacht, die die Frauen im Kern gar nicht berührt: weil sie stets ihre Würde bewahren.

Im vergangenen Jahr erhielt NDiaye, die derzeit mit ihrer Familie in Berlin lebt, mit dem Prix Goncourt Frankreichs wichtigste literarische Auszeichnung für ihr Werk.

Marie NDiaye: Drei starke Frauen. Suhrkamp, 342 Seiten, 22,90 Euro