Köln. .

Bücher waren ihre erste große Liebe - jetzt hat Patti Smith ein Buch über ihre Liebe zu Robert Mapplethorpe geschrieben. „Just Kids“, Kinder waren die beiden in den späten 60ern, als sie tief in die Kunstszene New Yorks eintauchten. Freitag tauchte Mrs. Smith in Köln auf, um davon zu erzählen.

Eine Ikone des Punk? Der Frauenbewegung? „Na klar“, grinst sie und streicht sich die langen Locken sacht aus der Stirn: „Und Ihr solltet gleich eine Statue von mir im Dom aufstellen!“

Nein, Patti Smith ist Patti Smith. Sängerin. Malerin. Poetin. Einzig und gerne mal unartig. Außer, wenn es um Robert Mapplethorpe geht, den Foto-Riesen, die Riesenliebe ihrer Jugendjahre. Beiden hat sie ein himmelhohes, fast überirdisches Denkmal geschrieben: „Just Kids“ heißt die „Geschichte einer Freundschaft“ auch in der deutschen Ausgabe. Deren Markteinführung versieht Mrs. Smith nun auf der Lit.Cologne mit dem nötigen persönlichen Nachdruck. „Das wird wohl die einzige Ausgabe bleiben, die so schön ist,“ spielt sie mit dem Lesebändchen, „ich nehme sie jetzt mit auf Reisen und tu so, als ob ich Deutsch könnte.“

Mit all der Wucht, die eine Liebe haben kann

Bücher waren ihre erste große Liebe, noch bevor sie lesen konnte. Mit 19, auch das schreibt sie auf, gebar sie eine Tochter. Aber Liebe war es nicht, sie gab das Kind zur Adoption frei, Depressionen inklusive. Doch als sie dann 1967 in den Überland-Bus nach New York stieg, wurde es der Sommer, in dem Robert Mapplethorpe sie traf – mit aller Wucht, die eine Liebe haben kann. Jener Mapple­thorpe, den alle Welt heute als schwulen Fotografen mit dem beinahe schmerzhaften Hang zur Maximalverschönerung kennt, egal ob er Blütenkelche oder Männer an der Grenze zur Pornografie fotografiert. „Ich hatte noch nie jemanden wie ihn gesehen“, erinnert sich Patti Smith, „Unmengen dunkler Locken, Glasketten, leichte O-Beine und seine Finger tippten im Gehen auf die Oberschenkel.“

Sie wurden ein Paar und wollten Künstler sein, unbedingt und irgendwie. Robert macht Collagen, Patti dichtet, zeichnet. Es war der „Summer of Love“, es war Bohéme als Lebensform im heruntergekommenen New York. Sie blieben so arm, dass immer nur einer von beiden ins Museum ging und dem anderen beschrieb, was da zu sehen war. Sie klaute ihm Anspitzer und Stifte und zankte ums Geld, wenn er Zigaretten kaufen und sie mit den Geschwistern telefonieren wollte.

Sie fotografiert zurück

Als sie ‘69 in Chelsea Hotel umziehen und in den Warhol-Dunstkreis geraten, wird es allmählich besser. Jimi Hendrix quatscht kurz vor seinem Tod mit dem spillerigen Mädchen, das schon mit elf behauptet hat, es sei vom Stamme Peter Pans und würde nie erwachsen werden. Janis Joplin lässt sich von ihr trösten, als der Bursche, mit dem sie den ganzen Abend geflirtet hat, kurz vor Ende der Party mit einer Hübscheren verschwindet: „Mann, das passiert mir immer“, heult Janis, die kurz darauf ebenfalls stirbt. Johnny Winter tigert nervös herum, weil er an einen tödlichen „J-Virus“ glaubt, der mit Brian Jones von den Stones begonnen habe. Doch der nächste wird Jim Morrison sein, bei dessen Konzert Patti Smith einmal unwillkürlich dachte: „Das kann ich auch!“

Robert wendet sich schwulen Freunden zu. Und doch bleibt es eine Art von Liebe zwischen beiden. Als Patti, die ihre Gedicht-Vorträge immer mehr von immer heftigerer Musik begleiten lässt, Mitte der 70er Abend für Abend im Underground-Schuppen CBGB’s gefeiert wird, ist die Zeit reif für ihr erstes Album. Mapplethorpe schießt das berühmte Cover-Foto von Patti im weißen Hemd. Zwölf Mal hat er auf den Auslöser gedrückt, da wusste er, er hat’s.

„Das könnte Euch eine Lehre sein“, ruft Mrs. Smith den Fotografen in Köln zu, deren digitales Klick-Konzert kein Ende nehmen will. Das Objekt ihrer Objektive aber ist ein Subjekt, sie fotografiert zurück. Mit einer alten verschrammten Polaroid, wie auch Mapplethorpe sie anfangs hatte. Das Material war teuer, so lernte er, schnell zum perfekten Schuss zu kommen. Die Musikerin Patti Smith lernte derweil, ihren ausgeprägten Mangel an Perfektion mit Patti Smith wettzumachen. Mit Ausstrahlung. Mit der Aura des Menschen, der weiß: „Ich bin ich.“