Brühl. .

Er hat den Berliner Reichstag verhüllt und den Pariser Pont Neuf verpackt: Christo hat Maßstäbe der vergänglichen Monumentalkunst gesetzt. Das Max Ernst Museum widmet ihm nun die erste Hommage nach dem Tod seiner Partnerin Jeanne-Claude.

Geht nicht, gibt’s nicht. Wer so denkt, ist der Mann der Stunde: Einer, der das Phantastische Realität werden lässt. Der das Unmögliche machbar macht. Der sich nicht mürbe machen lässt von Vorschriften und DIN-Normen, von Bürokraten und Bedenkenträgern. So einer wird jetzt gern gehört.

Und deshalb stehen sie an diesem Abend Schlange vorm Max Ernst Museum in Brühl. Hunderte sind gekommen, so dass der Vortrag sogar nach draußen übertragen wird. Public-Art-Viewing statt Brasilien- Nordkorea. Dabei ist der Herr mit dem zauselgrauen Haarkranz und der Woody-Allen-Brille nur gekommen, um einen Dia-Vortrag zu halten. Es ist Christo. Und man muss mit Bedauern sagen: ohne Jeanne-Claude.

75 Jahre alt ist er gerade geworden, geboren am 13. Juni 1935. Am selben Tag wie Jeanne-Claude, die im letzten November an eine Hirnblutung starb. Das Paar war symbiotisch, nicht nur in der Kunstbegeisterung. Und nun muss Christo lernen, dieses weltweit einzigartige Verpackungsunternehmen alleine zu leiten, auch am Telefon. Sein resolut in den Hörer geschmettertes „What?!?“ hat Gesprächspartner gleich wieder zum Auflegen bewegt, erzählt er mit einem süffisanten Lächeln. „Ich muss lernen, mit wichtigen Leuten zu reden“, sagt Christo mit seinem scharfkantigen Ostblock-Amerikanisch. Denn das Verhüllen geht weiter.

Alles ist selbst finanziert und recycelbar

Ein Lebenswerk ist halt niemals abgeschlossen, immer noch warten zwei Langzeit-Projekte auf ihre Realisierung: „The mastaba“, ein Kunstwerk aus 390 500 gestapelten Ölfässern in der Wüste von Abu Dhabi, seit 1977 in Planung. Und „Over the River“, die Überspannung des Arkansas River in Colorado mit Stoffbahnen über zehn Kilometer Länge, seit 1992 in Arbeit.

Christo hat davon brillante Zeichnungen angefertigt, wie immer. Und wie immer gibt es bei den Entscheidern große Skepsis. New York hat 26 Jahre gebraucht, bis der Central park seine orangen „Gates“ bekam. Der Berliner Reichstag wartete fast ebenso lang auf seinen schimmernden Überwurf. Als die Bilder von 1995 auf der Leinwand erscheinen, gibt es Szenenapplaus. Christo, der Power-Point-Profi, zappt weiter. Von den „Um­brellas“ (1991) in Japan zum verhüllten Pont Neuf in Paris (1985), weiter zu „The Wall“ im Oberhausener Gasometer (1998/99). Christo hantiert souverän mit Größenangaben, Jahresdaten und Quadratmeterzahlen, die Öffentlichkeitsarbeit gehört zum Kunstwerk dazu. Christo und Jeanne-Claude, die Verhüllungs- und Überzeugungskünstler.

Zu den Bildern und Skizzen ihrer spektakulären Projekte kommt auch das Foto zweier bleischwerer Aktenordner: Vorarbeit zum „Over The River“-Projekt. Verhüllen ist auch eine mächtige Papierschlacht. Weil das Fluss-Projekt stockt, braucht Christo öffentliche Unterstützung. 45 Tage blieben, um die Entscheidung der Amerikaner mit Mails und Briefen zu befördern, ermuntert er. Und Wolfgang Volz, einzig autorisierter Fotograf des Künstler-Paars und vom Chef liebevoll „Wolfi“ genannt, schiebt nach, dass die Stoffbahnen wieder in Emsdetten gefertigt werden sollen, wie schon beim Reichstag. Erneuter Applaus.

Umhüllte Bohrinseln?

Nur als die Rede darauf kommt, ob Christo, der bulgarische Fabrikantensohn, der in den 1950ern in einem verplompten Eisenbahnwaggon in den Westen floh, nicht einmal ein Projekt in einer alten Heimat vorsieht, wird der Ton schroff: „Wir sind nur da, wo man unsere Kunst auch will. Und bezahlt.“ Gerade in Deutschland hat Christo seine treuen Sammler, die in Brühl ausgestellte Sammlung Würth ist die zweitgrößte der Welt. Nur durch Kunstverkäufe lassen sich die verhüllten Weltwunder realisieren. Sicher, komplett selbst finanziert und recycelbar: Das sind eben die drei großen Vorgaben der Christo-Kunst.

Ob er nicht die Bohrinseln vor der amerikanischen Küste umhüllen wolle, wird er gefragt. Und da muss die Kommunikationskünstlerin Jeanne-Claude zitiert werden: „Die beste Methode, einen Vorschlag zum Scheitern zu bringen, hat die französische Generalstochter einmal gesagt, „ist, ihn zu machen.“