Kapstadt. .

Südafrikas Kulturszene ist so widersprüchlich wie seine Landschaften, seine Bevölkerung und seine Geschichte.

Ein Schriftsteller in mittleren Jahren, der sich zutiefst von seiner Umgebung entfremdet hat; ein undurchschaubarer Einzelgänger für seine Familie, ein unnahbarer ,,Dauerrammler” für seine Geliebten, ein Mensch, der weder seine Mitmenschen wahrzunehmen scheint noch sich selbst – das ist das Bild, das der südafrikanische Nobelpreisträger J. M. Coetzee in seinem jüngsten Roman ,,Tagebuch eines schlimmen Jahres” von seinem Helden zeichnet. Coetzee beschreibt in seinem Buch das Verhalten eines Menschen, für den die künstlerische Betätigung Lebensbedingung ist, der aber unter den Verhältnissen der Apartheid – Unterdrückung, Gleichschaltung, Gewalt – zur inneren Emigration gezwungen wird, um seinen Ausdruckswillen zu schützen.

In gewisser Weise beschreibt der 70-Jährige damit auch die Situation der Künstler im neuen Südafrika. Zwar sind sie von den Fesseln der rücksichtslosen Manipulationsapparatur befreit, die jeden künstlerischen Standpunkt auf die Übereinstimmung mit dem aufgezwungenen Rassenmuster reduzierte – doch bringt diese Freiheit neue Probleme mit sich. Die Wunden eines halben Jahrhunderts Diktatur, das zeigt Coetzees Roman deutlich, mögen sich geschlossen haben. Die Narben aber bleiben.

Eine Nation, die nichts vereint - abgesehen von ihren Widersprüchen

Und so kämpft eine Nation um eine kulturelle Identität, die vor allem eines vereint: Dass sie nichts vereint, abgesehen von ihren Widersprüchen.

Die Trennungslinien verlaufen entlang den ethnischen Einordnungen. Während die Stammeskultur der etwa 70 Prozent schwarzafrikanischen Einwohner des Landes nach wie vor von traditionellen Tänzen und Gesängen geprägt ist, finden sich in der Popkultur durchweg europäische und amerikanische Einflüsse, die einen afrikanischen Hintergrund kaum erahnen lassen.

Dabei haben es Künstler vom Kap durchaus zu Weltruhm gebracht: Immerhin zwei Literatur-Nobelpreise (Nadine Gordimer, Coetzee) gingen im vergangenen Jahrhundert an Südafrika, der Maler William Kent­ridge gehört mit seinen Werken seit Jahrzehnten zur Weltelite, das Soweto String Quartett und die Sängerin Miriam Makeba (gestorben 2008) waren und sind in den Konzerthäusern der Metropolen außerhalb des Kontinents ein fester Begriff.

HipHop und Rap

Schon im Endstadium der Apartheid versuchten Künstler, ethnische Grenzen aufzubrechen - eine Stoßrichtung, die auch die aktuelle Regierung Jacob Zumas unterstützt, die sich in der Kulturpolitik die Förderung von Projekten zur Aussöhnung der Bevölkerungsgruppen zur Aufgabe gemacht hat. Die Romane von Nadine Gordimer thematisieren immer wieder die Rassenproblematik, ebenso wie die Werke der Exilliteraten Breyten Breytenbach oder Dennis Brutus oder des Schwarzafrikaners Zakes Mda.

Aber auch die junge Kunstszene ist quietschlebendig und meist mit dem urbanen Leben der Großstädte befasst. Eine große Rolle bei der Verschmelzung der ethnischen Einflüsse und Traditionen spielen Hip-Hop und Rap. Gerade junge Künstler aus den Townships schaffen es mit einer Mischung aus Pop-Kultur, Gesellschaftskritik und Nationalbewusstsein, die junge Generation für sich zu begeistern.

Und die erhebt ihre Stimme, wenn es darum geht, das schmerzhafte Erbe der Apartheid in einem neuen Bewusstsein der Vielfalt aufgehen zu lassen. Schauspielerin Legogang Mashile etwa die es mit ihren Poetry-Programmen zu internationalem Ruf gebracht hat, fordert von den Künstlern des ,,neuen Südafrika” ein ,,Umdenken: Gerade unsere Unterschiede sind unsere größte Stärke”, betont die 31-Jährige jüngst in einem Interview mit einer südafrikanischen Wochenzeitung. ,,Wir müssen lernen, diese anzunehmen, statt sie gegeneinander auzuspielen.”