Düsseldorf. .
Wem beim Anblick nackter - überwiegend männlicher - Genitalien unwohl wird, der sollte auf einen Besuch der Mapplethorpe-Schau verzichten. Alle anderen dürfen sich auf die Werke von einem der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts freuen.
„Viele Motive in Mapplethorpes Fotografien sind eindeutig sexueller und homoerotischer Natur und können Besucher, insbesondere Jugendliche, in ihren Empfindungen stören.“
Mit diesen Worten warnt die Einladungskarte ihren Besitzer vor den Fotografien des Fotografen Robert Mapplethorpe, die ab Samstag in einer Retrospektive im Düsseldorfer NRW-Forum zu sehen sind. Und tatsächlich: Wem beim Anblick nackter - überwiegend männlicher - Genitalien unwohl wird, sollte wohl besser zu Hause bleiben. Wer damit keine Probleme hat und darüber hinaus die Werke von einem der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts aus nächster Nähe sehen möchte, sollte sich auf den Weg nach Düsseldorf machen.
Hart an
der Grenze
Robert Mapplethorpe zeigt Nacktheit auf eine offensive, beinahe einschüchternde Weise, die sich nicht selten hart an der Grenze zur Pornografie bewegt. Seine Motive sind fast immer schwarze Männer, ausgesprochen durchtrainiert, oft in Posen, die an die Athleten-Skulpturen der griechischen Antike erinnern. In seiner Heimat, den prüden USA, war der Fotograf lange Zeit umstritten, seine Werke in einigen Landstrichen sogar verboten. Bei seinen Ausstellungen gab es Protestkundgebungen und teilweise wurden die Museumsdirektoren verklagt. Ruhm und Ehre wurden ihm - wie so oft - erst posthum zuteil.
Mit seinen Aufsehen erregenden Fotografien gelang es Mapplethorpe, seinem Handwerk den Weg zur Anerkennung als Kunstform zu ebnen und homoerotisch angehauchte Kunst in der Mainstream-Kultur zu etablieren.
Mapplethorpe als reinen Aktfotografen abzustempeln, wäre allerdings falsch. Dafür ist sein Gesamtwerk zu umfang- und abwechslungsreich. Und das eigentliche Motiv hatte für ihn selbst auch nur sekundäre Bedeutung. In erster Linie ging es Mapplethorpe um die Formen: Perfekte Symmetrie war stets sein Ziel, und die fand er in Körpern und Gesichtern, Händen und Genitalien. „Im Grunde ist es das gleiche“, sagte er einmal. „Es geht um Beleuchtung und Bildaufbau. Es macht kaum einen Unterschied. Der Blick ist derselbe... Ich habe versucht eine Blume einem Bild eines Penisses gegenüberzustellen, dann einem Portrait. Und man konnte sehen, es ist alles dasselbe.“
Völlig neue Bedeutung für „Blümchensex“
Apropos Blumen: Die von Robert Mapplethorpe fotografierten Stilleben inszenierte der Künstler so, dass sie ebenfalls eindeutig zu erotischen Symbolen wurden. Hier gewinnt das Wort „Blümchensex“ eine völlig neue Bedeutung.
Durch das legendäre Cover-Foto, das Patti Smiths erstes Album „Horses“ ziert, erlangte er erste Berühmtheit - von Erotik keine Spur. In den 80er Jahren wurde Mapplethorpe einer der meistgefragten Portraitfotografen und setzte Stars wie Donald Sutherland, Isabella Rosselini, Udo Kier und seinen Weggefährten Andy Warhol in Szene.
Die Retrospektive im NRW-Forum gliedert sich in vier Räume: Im ersten, „Robert & Patti“, hängen die besagten Bilder der Sängerin Patti Smith, außerdem eine Reihe von Selbstportraits. Schritt für Schritt lässt sich hier seine Wandlung beobachten: vom James Dean-Verschnitt in Lederjacke, mit Haartolle, Messer und Kippe im Mund, zum Verfechter homosexueller Kunst und Meister der Selbstinszenierung - mit roten Lippen und im Pelz.
Auch das umstrittene Bild, auf dem Mapplethorpe mit einer in seinen Anus eingeführten Bullenpeitsche zu sehen ist, kann in Düsseldorf betrachtet werden. Hier greift dann wieder die Warnung auf der Einladungskarte.
Im Raum „Cocks & Flowers“ hängen Mapplethorpes Stilleben - sowohl die von Blumen als auch die von Penissen. „Black Men & White Women“ zeigt Aufnahmen von durchtrainierten menschlichen Körpern, deren Symmetrie Mapplethorpe so faszinierte. Hier hängen auch die Fotos der amerikanischen Body Builderin Lisa Lyon, einer der wenigen Frauen, die der Fotograf bis zu seinem Aids-Tod 1989 ablichtete. Im letzten Raum, „Shapes & Faces“, sind seine Portrait- und Skulpturenfotografien ausgestellt.
Alle 150 Bilder wurden von der Robert-Mapplethorpe-Stiftung in New York bereitgestellt. Michael Ward Stout, Leiter der Stiftung und ein guter Freund des Künstlers, war persönlich in Düsseldorf, um die Ausstellung zu begutachten. Wer sich mit dem Extremisten der Fotografie vertraut machen möchte, hat noch bis zum 15. August die Gelegenheit dazu.