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Europas Norden bleibt auch 2010 im Zentrum düsterer Machenschaften - zumindest auf dem Papier. Für dieses Jahr stehen jede Menge Krimi-Neuerscheinungen an. Schweden und Norwegen bleiben Krimimetropolen des 21. Jahrhunderts. Fans dürften frohlocken und nicht nur die von Kurt Wallander.

Doch auch er kehrt endlich zurück. Henning Mankell reaktiviert den neben Sjöwall/Wahlöös Kommissar Beck wohl bedeutendsten fiktiven Ermittler Schwedens – allerdings letztmals: In „Der Feind im Schatten“ (Zsolnay), der im April erscheint, gerät der Fahnder auf die Spur einer politischen Affäre, die ihn ins frostige Herz des Kalten Krieges führt.

Noch eine gute Nachricht: Harry Hole, nah am Suff gebauter Serienkommissar des Norwegers Jo Nesb, trinkt nicht mehr. Einziger, nun ja, Wermutstropfen: Statt zu bechern, berauscht er sich im Höchstspannungsroman „Leopard“ an Opium, um den Verlust seiner Freundin Rakel zu verwinden.

Im Vorgängerroman „Schneemann“ hatte er die Herzdame in Lebensgefahr gebracht – und sich damit um die Krücke seines Lebens. Nun hockt Hole, der einst soff wie ein Loch, in einem Loch in Hongkong und sucht das Vergessen.

Vor völliger Benebelung wird er durch Kollegin Kaja bewahrt, die ihn nach Oslo zurücklotst. Dort soll Hole beim Auffinden eines Serienkillers helfen, der scheinbar wahllos Frauen meuchelt, indem er ihrem Mundraum einen mit Nadeln durchsetzten Gegenstand einspeist. Die Psychopathen-Hatz führt Hole in norwegische Eiswüsten, afrikanische Hitzehöllen – und bis an die Grenzen nicht nur seiner Vorstellungskraft. Denn so existenziell wie in „Leopard“ war die Hauptfigur von Nesbøs Reihe selten betroffen: Rakel sendet kein Lebenszeichen.Und der Gegner erweist sich als seinem Häscher ebenbürtig. Bis zum Herzschlag-Finale, in dem bei Nesbø nie ausgemacht ist, ob es happy oder happig ausfällt.

Das Gesetz der Serie bürgt im Krimi für Erfolg. Das mag weltweit so sein. Doch nur in Skandinavien haben es Autoren zu solcher Konstanz gebracht. Serielles Morden im Norden ist die Königsdisziplin, an der sich Genre-Vertreter in anderen Breiten zu messen haben.

Dabei muss es nicht immer Wallanders Ystad sein – oder Stockholm, wo sich ein halbes Dutzend Fahnderfiguren von Liza Marklunds Annika Bengtzon bis zu Leif GW Perssons Evert Bäckström auf den Füßen stehen. Auch jenseits einschlägig bekannter Schauplätze gibt es zumal in Schweden viele Orte, die als Tatort taugen.

Göteborg zumal. Zwei Literaten haben in ihren an Lokalkolorit reichen Büchern viel für den Krimi-Ruf ihrer Heimatstadt getan: Helene Tursten, deren Irene Huss nicht nur wegen Jiu-Jitsu-Kenntnis als schlagfertig gelten darf. In der ARD waren im Sommer 2009 sechs gelungene Verfilmungen ihrer Fälle zu besichtigen. Zweiter Kenner der düsteren Seiten von Göteborg ist Kommissar Erik Winter, den Åke Edwardson erdacht hat. Jüngster packender Fall: „Toter Mann“ (Ullstein); dem Vernehmen nach der vorletzte Fall für Erik Winter.

Nur gut daher, dass in Skandinavien, zumal in Schweden, auf einen abgetretenen Großmeister mindestens fünf neue Aspiranten folgen, um sein Erbe anzutreten. Im Falle des scheidenden Edwardson darf sich ein weiterer Göteborger Chancen ausrechnen: Johan Theorin. Sein auf der Ostseeinsel Öland spielendes Jahreszeiten-Quartett – zuletzt erschien „Nebelsturm“ (Piper) – mixt gekonnt Thriller-, Schauermär- und Sippenroman-Elemente.

Eine Serienpause hat sich nur Schwedens Krimi-Queen Liza Marklund verordnet: Für den Pärchenmord-Thriller „Letzter Gruß“ (im März bei Limes) hat sie sich mit dem US-Kollegen James Patterson zusammengetan, der mit Schockern um den Psychologen Alex Cross reüssierte.

Es wird ein guter Lenz, was Morde im Norden angeht. Bis dahin gilt die Weihnachtsweisheit: Vorfreude ist die schönste Freude. Es gilt zudem ein dynastisches Bonmot: Mankells Feld ist gut bestellt. Das walte Jo Nesbø.

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