Duisburg. .
Mit Christoph Brockhaus geht der dienstälteste Museumschef des Reviers in den Ruhestand. Seit 1985 leitet er das Duisburger Lehmbruck Museum. Im Interview erklärt er, warum die Region eine Ruhrkunsthalle verdient hat und fordert mehr Zusammenarbeit.
Er hat den Namen Lehmbruck in die Welt getragen, mit Ausstellungen von Paris bis Leipzig. Er hat die Skulptur auf die Straße geholt, wie mit der zunächst umstrittenen „Life Saver“ von Niki de St.Phalle, die zum Duisburger Wahrzeichen wurde. Am Ende hat er vor allem den umfassenden Lehmbruck-Nachlass für Duisburg gesichert. Am 1. Februar gibt Brockhaus sein Amt an Nachfolger Raimund Stecker ab. Am kommenden Samstag wird er offiziell verabschiedet. Martina Schürmann und Thomas Becker sprachen mit dem 65-jährigen über Kunstvermittlung und die Skulptur im öffentlichen Raum.
Herr Brockhaus, Ihr Antritt 1985 ging gleich mit einem Rückzug einher. Lothar-Günther Buchheim wollte sein „Museum der Phantasie” plötzlich doch nicht nach Duisburg bringen.
Brockhaus: Ich bin Herrn Buchheim bis heute doppelt dankbar. Sein Sammlungs-Angebot hat damals ermöglicht, dass der Erweiterungmbau des Lehmbruck-Museum umgesetzt werden konnte. Doch erst durch seinen Rückzug konnte dieses Museum für Skulpturen von europäischem Rang entstehen.
Und was hat Sie am Museum Lehmbruck gereizt?
Brockhaus: Ich wollte immer in die Moderne. Und keine Kunstgattung hat sich so revolutioniert wie die Skulptur, die heute mit Licht, Klang und Video arbeitet. In Duisburg hatte ich dazu eine wunderbare Unabhängigkeit, eine wirkliche Gestaltungsfreiheit. Aber die wichtigste kulturpolitische Mission war natürlich, Duisburg in der Welt als Stadt Wilhelm Lehmbrucks und als Stadt der modernen Skulptur zu vertreten.
Für die Vermittlung haben Sie hart kämpfen müssen.
Brockhaus: Als ich damals in Duisburg anfing, gab es noch keine Museumspädagogik. Die habe ich dann früh gegen alle Widerstände durchgeboxt, das ging damals bis zur Schlichtungsstelle. Weil mir klar war: Wenn ich in so einer Arbeiterstadt nicht mit den Jungen anfange, welches Recht habe ich dann, öffentliche Mittel für ein Museum auszugeben? Dazu mit meinem Qualitätsanspruch. Wir haben dann zunächst mit Hilfe privater Spender begonnen, um zu zeigen, was möglich ist. Heute hat das Lehmbruck eine der besten museumspädagogischen Abteilungen in Deutschland.
Also alles eine Frage der Vermittlung?
Brockhaus: Vermittlung ist eine wesentliche Berechtigung des Museums in dieser Zeit, in dieser Stadt. Damals in den 68’ern, da habe ich noch wie viele Kollegen frei nach Brecht gedacht: Mach aus einem kleinen Kennerkreis einen großen, das geht alles über die Kunstgeschichte. Heute sage ich: Die Kunst, die wir kaufen und zeigen, kann nicht gut genug sein. Aber die Wege der Vermittlung müssen genauso vielfältig sein und auf die jeweilige Wirklichkeit von Gesellschaft treffen, auf die Menschen, die ins Haus kommen. Es gibt noch den kleinen Stamm der Bildungsbürger, die kunsthistorisch herangeführt werden wollen. Aber daneben gibt es tausend andere Wege, wie man moderne Kunst heute vermitteln kann, ja muss. Und es hat sich ausgezahlt, wenn man sich die Besucherstruktur anschaut.
Das gilt auch für Kunst im öffentlichen Raum?
Brockhaus: Das bleibt ein schwieriges, aber notwendiges Thema. Seitdem es Zivilisation gibt, gibt es Kunst im öffentlichen Raum. Jede Gesellschaft muss sich daran reiben dürfen. Aber es ist unsere Aufgabe, es so zu kommunizieren, dass es angenommen werden kann. Die These, Kunst im öffentlichen Raum sei nicht demokratisch, kann ich nicht akzeptieren. Sie muss bloß Sinn machen, Qualität haben und gut vermittelt werden.
Der Direktor geht, am Ende bleibt die Sammlung.
Brockhaus: Ja, aber wir Museumsleute müssen davon loskommen, dass wir feste Bestände haben. Wir wollen eine Metropole Ruhr. Und jedes Haus soll seinen Schwerpunkt haben, aber um den zu verstärken, können die anderen Museen durchLeihgaben helfen. Es interessiert doch keinen Museumsbesucher, ob das Stück nun aus Essen, Bochum oder Duisburg kommt. Was glauben Sie, was das für eine Ausstellung wäre, wenn alle 20 Ruhrkunstmuseen ihre Kirchners zu einer Sonderausstellung zusammenpacken würden, das wäre unschlagbar! Dafür bräuchten wir eigentlich eine Ruhrkunsthalle, wo wir solche Ausstellungen in Kontinuität planen könnten. Eine Halle dieser Art verdient eine Region mit über fünf Millionen Einwohnern. Dass es in den nächsten Jahren finanziell nicht einfacher wird, ist allen klar. Gemeinsam aber kann man mit wenig Mitteln noch viel machen.