Essen.

„Es geht immer irgendwie weiter, und hier im Revier ganz besonders!“ Zumindest diese Erkenntnis konnten die Zuschauer von Sönke Wortmann mitnehmen. Ansonsten war in der ZDF-Show „Glückauf, Ruhr 2010!“ zur Kulturhauptstadt-Eröffnung doch eher der Rückwärtsgang eingelegt.

Wer eine Fernsehshow „Glückauf, Ruhr 2010!“ nennt, steckt ja schon wieder mit mindestens einem Bein im Zechenschacht. Dabei wollten das ZDF und Markus Lanz doch eigentlich zeigen, „dass hier Platz für viel mehr ist als für gängige Klischees“, wie der gebürtige Südtiroler mit dem eingebauten Vorsatz zum Gutfinden gleich am Anfang der Sendung behauptete. Statt um gängige Klischees ging es dann erst einmal gut eine Stunde lang um – Kohlekumpel, Fußball und Brieftauben.

Fritz Pleitgen, Geschäftsführer der Ruhr.2010 GmbH, (l.) und Moderator Markus Lanz.
Fritz Pleitgen, Geschäftsführer der Ruhr.2010 GmbH, (l.) und Moderator Markus Lanz. © imago stock&people

Hätte der Kerner-Nachfolger doch nur den Mund nicht so voll genommen….! Dabei hätte es doch gereicht, wenn Sönke Wortmann seine staunenswerte Geschichte vom Taubennachrichtendienst zum Besten gegeben hätte, mit dem man zu frühen Oberliga-West-Zeiten im Revier von den Spielständen in Aachen und anderswo erfuhr – zusammen mit Rudi Assauers wirklich berührender Erinnerung an das letzte Pils am Sterbebett seines staublungenkranken Vaters und der Erklärung, dass die Redewendung „weg vom Fenster“ vom Verschwinden der nach Luft schnappenden Bergbau-Opfer erzählt, wäre im Kern eigentlich genug von gestern erzählt gewesen.

Intelligenzbereinigte Moderation

Aber schon der Auftakt nahm sich krampfig: Extrarasanten Kamerafahrten mit Schwindelqualitäten sollten wohl den Gähnfaktor beim lahmen Gästebegrüßen mit Klaus J. Berendt, Anja Kruse, Ralf Möller und Wortmann herunterschrauben. Aber so kam immerhin die zauberschöne Atmosphäre glänzend rüber, die das Musiktheater im Revier zu bieten hat. Schon das dürfte ja für den Rest der Republik eine echte Nachricht gewesen sein: Dass man in Gelsenkirchen neben der Schalke-Arena auch noch kühnmodernes, charaktervolles Opernhaus hat.

Und auch die Einspielfilme mit Peter Lohmeyer und Dietmar Bär als industriekulturbegeisterte Schalke- und Dortmund-Fans oder mit dem Erzbanausen Atze Schröder im Kulturtempel Folkwang-Hochschule hatte immerhin jenen Witz, der Lanz mit seiner weitgehend intelligenzbereinigten Moderation nur selten und dann fast aus Versehen gelang. Aber wer dauernd suggestivfragt, darf sich nunmal nicht wundern, wenn er lauter lahme Echos statt Antworten zu hören bekommt.

Helge Schneider war lustiger

Und wer Kinder singen lässt, egal ob Schalke-Hymne oder Grönemeyers „Bochum“, der nimmt in Kauf, dass man sich fühlt wie auf Oppas Geburtstag. Als dann aber die ewigkindliche Nena „Du bist so gut für mich“ sang, fiel einem wieder ein, dass doch zuvor peinlicherweise von der ach so häufigen Umgehung von Großhirn und Genitiv die Rede war – vielleicht müsste es ja eigentlich „Du bist so gut zu mir“ heißen… Helge Schneider war jedenfalls lustiger, auch wenn er zu kurz kam.

Neben Peinfaktoren wie Claude Oliver Rudolphs extraprollige Sonnenbrille und Ralf Möllers seltsame Fixiertheit auf den Ministerpräsidenten in der ersten Zuschauerreihe wirkte dann der Umgang mit dem Thema Zuwanderung geradezu erfrischend. Der wiederum gelungene Einspieler mit Ingo Naujoks und Fatih Cevikkollu im türkischen Heiratsparadies Marxloh und die genial turnenden „United B-Boys“ aus der Breakdance-Fraktion , die herzlich optimistische Integrationsschwärmerin Asli Sevindim ließen ahnen, was alles gelungen ist auf einem Feld, auf dem ansonsten (und nicht ganz zu Unrecht) fast immer nur von Problemen und Defiziten die Rede ist.

Am Ende wurde der Show aus Mainz etwas abrupt der Ton abgedreht, aber es bleibt uns allemal Sönke Wortmanns vielleicht nicht ganz freiwillig komische Erkenntnis: „Es geht immer irgendwie weiter, und hier besonders!“