Berlin. .

Ägypten will sie wieder haben, Berlin hat ihr im Neuen Museum ein königliches Einzelzimmer reserviert und möchte seinen Besuchermagneten nicht hergeben: Attacken und Abwehmanöver im Streit um Nofretete.

Zahi Hawass, der Chef der ägyptischen Altertümerverwaltung, liebt das deutliche Wort fast so sehr wie den glänzenden Auftritt. Als er vor fünf Jahren die Totenmaske des Tutanchamun auf eine Welttournee schickte, brüstete sich Hawass mit den Millionen, die das den Ägyptern einbrachte. Dafür ignorierte er sogar ein Gesetz, das die Ausreise des Tutanchamun verbietet, seitdem die Totenmaske des Pharaos in den 80er-Jahren von einer Ausstellungsreise beschädigt nach Kairo zurückgekehrt war. Wenzel Jacob, einstiger Chef der Bonner Bundeskunsthalle, musste sich von Hawass jedenfalls auslachen lassen, als er 400 000 Euro dafür bot, dass Tutanchamun auch am Rhein Station machen sollte. Ge-zahlt wurde ein Vielfaches.

Und wenn es jemandem gelingen könnte, die andere legendäre Herrscherfigur Ägyptens, die als Grabskulptur die Jahrtausende überlebt hat, an den Nil zurückzuholen, dann ist es der Archäologe und Museumsungszampano Zahi Hawass. Kurz vor Weihnachten drohte er damit, Ägypten werde die 48 Zentimeter hohe Büste der Nofretete „offiziell von Deutschland zurückfordern“. Schon seit einer ganzen Weile träumt er davon, sie bis zur Eröffnung des neuen Nationalmuseums in Kairo, die für 2012 erwartet wird, heimzuholen. Anscheinend glaubt er nicht mehr, dass ihm dies durch friedliche Verhandlungen gelingen wird: Schon 2007 lieferte sich Hawass mit dem damaligen Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin einen heftigen Streit um Nofretete.

Absichtlich nicht gereinigt

Neuerdings macht Hawass geltend, dass es bei der Ausfuhr des Kunstschatzes, der 1912 bei Grabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in den Ruinen des altägyptischen Amarna zutage kam, Unregelmäßigkeiten gab. Der preußische Ägyptologe Ludwig Borchardt, der die Büste aus dem Sand grub, habe Nofretete 1913 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Berlin ausgeführt.

So glaubt Hawass etwa, dass Borchardt die „bunte Königin“, wie er sie zunächst taufte, absichtlich nicht von Sand- und Lehmspuren reinigte. Außerdem habe er fälschlicherweise von einer Gipsbüste gesprochen. Dabei weiß man erst seit wenigen Jahren, dass es sich bei der Büste um einen modellierten Kalkstein handelt; und viele andere Büsten aus dem Fundort Amarna bestehen in der Tat aus einem wenn auch kostbaren Gips.

Grabschätze geteilt

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Tatsache bleibt, dass 1913 bei der Ausfuhr der Büste aus dem von Engländern und Franzosen besetzten Ägypten der zuständige Archäologe Gustave Lefebvre vom Antikendienst des Landes die Aufteilung des Grabungsschatzes absegnete. Dass beide Seiten „gleichwertige Anteile der Grabungsfunde erhalten“ sollten, war schon vor Beginn der Grabungen vereinbart worden. „Die Objekte“, erklärte jüngst die Stiftung Preußischer Kulturbesitz „waren in Listen genau erfasst. Von den herausragenden Fundstücken - so auch von der Büste der Nofretete - lagen Fotografien vor, die die Schönheit und Qualität der Objekte wiedergeben. Zudem standen die geöffneten Kisten zur Begutachtung der Objekte bereit.“ Von einer Täuschung bei der Teilung könne keine Rede sein. Die Zustimmung zur Ausfuhr der Nofretete nach Berlin wurde schließlich dokumentiert in einem Teilungsvertrag.

Die Vehemenz, mit der die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihre Star-Büste jetzt verteidigt, ist nur zu verständlich: Nofretete ist als Besuchermagnet im frisch renovierten Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel unentbehrlich. Ihre Anwesenheit in der deutschen Hauptstadt dokumentiert auch ein Stück Geschichte - Archäologiegeschichte, Grabungsgeschichte.

Hawass grummelt

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Von DerWesten

Dabei dürfte das 20. Jahrhundert für die Büste der Frau an der Seite des Pharaos Echnaton wohl die unruhigste Epoche in den rund 3500 Jahren ihrer Existenz gewesen sein. Nach der Ausgrabung reiste sie zunächst in die Berliner Villa des Unternehmers James Simon, der die Grabung in Armana finanziert hatte. Der Mäzen schenkte sie dann 1924 der Berliner Museumsinsel.

Ausgerechnet der prunk- und pompliebende Reichsmarschall Hermann Göring war dann über ein Jahrzehnt später schon einverstanden mit der Auslieferung der schönen Einäugigen an ihr Heimatland. Er hielt die Skulptur für dekadente Kunst. „Aber dann hat Hitler sie gesehen“, grummelt Zahi Hawass im Rückblick, „und sich in sie verliebt. Nur deshalb ist sie heute noch in Deutschland.“ Der Name Nofretete bedeutet übrigens „Die Schöne ist gekommen“.

Sieht ganz so aus, als würde sie auch bleiben.