Oberhausen. .
Die Offenbarung des Johannes als Ferienprogramm: In Oberhausen studiert der Schauspieler und Regisseur Herbert Fritsch die Apokalypse mit Kindern ein. Das Ergebnis ist ein 15-minütiger Film.
Es gibt sicher angenehmere Möglichkeiten, einen Ferientag zu verbringen. Andere, als in einem stickigen Raum ohne Tageslicht zu stehen, vor Scheinwerfern zu schwitzen und mit lauter Stimme Sätze nachzusprechen, deren Sinn einem gelegentlich nicht klar ist. Sätze aus der Bibel wie: „Und siehe, da ward ein großes Erdbeben und die Sonne ward schwarz.“ Für die zwölfjährige Melanie aus Oberhausen aber ist dies zweifellos ein Höhepunkt ihrer sommerlichen Freizeit. Mit großem Engagement versucht sie beim Sprechen jenen Furor in die Stimme zu bekommen, mit dem Regisseur Herbert Fritsch ihr den Text vorspricht. Düster muss es sein und aggressiv, schließlich geht es um die Offenbarung des Johannes, besser bekannt als die „Apokalypse“.
Der Berliner Schauspieler und Regisseur Herbert Fritsch, in Oberhausen durch bisher drei Inszenierungen am Theater wohlbekannt, erfüllt sich in dieser Woche in der Ruhrgebietsstadt einen lange gehegten Traum: Er lässt Teile der sprachlich nicht gerade zimperlichen „Apokalypse“ von über 100 Kindern zwischen acht und zwölf rezitieren, um daraus in der „Local Hero“-Woche Oberhausens einen 15-minütigen Film zu gestalten. Er hat es sich eng gemacht: Am Montag um neun begann die Aufnahmearbeit, am Freitag um 19 Uhr soll der Film bereits vor großem Publikum aufgeführt werden. Während Fritsch mit den Kindern arbeitet, wird nebenan bereits geschnitten. Der Regisseur braucht den Stress: „Ich liebe schnelle und intuitive Entscheidungen. Man muss ungebremst durch etwas hindurch. Was aus der Tiefe kommt, hat Energie.“
Es gab auch Tränen
Einer wie Fritsch, der streng katholisch erzogen wurde und ursprünglich Pfarrer werden wollte, der hat die Bibel in sich drin. Aber warum ausgerechnet die „Apokalypse“ mit ihren Horrorvisionen vom möglichen Untergang der Erde und ihren so lebendig gezeichneten Heerscharen Satans? „Es gibt nichts Besseres für einen Menschen, der mit der Dramatik spielt“, entgegnet der rastlose Künstler, der auch vor sechs Inszenierungen pro Spielzeit an verschiedenen Theatern nicht zurückschreckt. Er selbst habe schon Lesungen mit der „Offenbarung“ gemacht, aber das sei nichts gegen sein jetziges Projekt. „Wenn Kinder den Text sprechen, wenn sie diese alten Worte ausformen und nicht genau um die Bedeutung wissen, dann werden sie zum reinen Medium. Es läuft etwas durch sie hindurch, sie erzählen uns in ihrer Unschuld etwas, das Erwachsene uns nicht vermitteln könnten.“
Bei der Arbeit geht Fritsch sehr einfühlsam mit seinen Sprechern um, er weiß, dass er hier leicht verletzbare, zarte Seelen vor sich hat. Wenn er ihnen die Zeilen manchmal förmlich entgegenschleudert und das kindliche Echo danach erstaunlich stimmig klingt, dann spart er nicht mit Lob und Anerkennung. Melanie etwa ist nun fest entschlossen, Schauspielerin zu werden. Zwei der Mitwirkenden wurde es dennoch zu viel: „Es gab Tränen, sie weigerten sich, weiterzumachen.“ Für die meisten aber, glaubt Fritsch, sei dieser Umgang mit der Bibel ein Geschenk. „Für uns Erwachsene erst recht.“