Recklinghausen. Wo man sich im Kleiderschrank vor der Wirklichkeit versteckt - zwei Uraufführungen bei den Ruhrfestspielen. Juliane Kanns "Ein Fuchs reißt ein Kaninchen" scheitert kläglich. Helmut Kraussers Roman-Adaption "Eros" ist mehr Autorenglück beschieden.

Sie sind das Salz in der Suppe des großen Star-Theaters, sie peppen den klassischen Kanon auf: die Uraufführungen. Gleich fünf Stücke kommen in diesem Jahr beim ambitionierten Festival im Festival der Ruhrfestspiele zur Bühnenwelt. Ein echter Happen für Gourmets aber stand mit den beiden ersten Produktionen im Theaterzelt noch nicht auf dem Menüplan.

Die preisgekrönte Mecklenburgerin Juliane Kann (27), ein Shootingstar unter den Jungdramatikern, scheiterte mit ihrem Text „Ein Fuchs reißt Kaninchen” kläglich. Das Drama kreist um die Frage, wie Menschen mit Tod und Trauer umgehen. Antworten stecken in einem Wust aus Klischees, Platitüden, Banalitäten. Lehrer Wolf stirbt, Mutter und Sohn versuchen, mit dem Verlust klar zu kommen. Sie wirft Tabletten ein, er versteckt sich im Kleiderschrank vor der Wirklichkeit.

Konsequent unentschieden

Die Inszenierung von Regisseur Frank Abt rettete dennoch geschickt, was an der flachen Vorlage zu retten war. Aus dem Ensemble des Thalia Theaters ragt Maren Eggert als paralysierte Mutter heraus. Auf der Guckkastenbühne, so eng wie das Leben der Akteure, überlagern sich Gegenwart und Vergangenheit, Traum und Realität. Im nahezu peinlichen Ende klagt die Lebende den Toten an: „Und dann gehst du einfach.” Und der Titel? Meint einfach: Das Leben geht weiter.

Mehr Autorenglück ist Helmut Krausser beschieden. Die Adaption seines Romans „Eros” geriet Regisseurin Christine Eder und dem Münchner Volkstheater allerdings konsequent unentschieden. Der Text verwebt eine Lebens- und Liebesgeschichte mit der Entwicklung der Bundesrepublik von den Nachkriegsjahren über die Zeit der Studentenrevolten und des RAF-Terrors bis zur Wohlstandsgesellschaft, die ins Trudeln gerät. Ein Stück zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes, dezidiert pädagogisch und lehrstückhaft, als wär's eigens dafür gemacht.

Rasender Rollenwechsel

Auf der Bühne von Monika Rovan, einer altbackenen Sofa-Landschaft, springen sechs Schauspieler in rasendem Wechsel von einer Rolle in die nächste. Der Zuschauer kann kaum registrieren, wer gerade wer ist. Das treibt die Handlung voran, nimmt aber die Chance zur Teilhabe. Es bleibt die kühle, manchmal gar gelangweilte Beobachtung.

Und das sieht er: Der alte Großindustrielle Alexander von Brücken (wunderbar gelassen: Wolfram Kunkel) hat einen Schriftsteller beauftragt, die Geschichte seines Lebens aufzuschreiben, die einer unerfüllten, obsessiven Liebe zu Sophie. Szenen sind Schlaglichter auf der Bühne, private und gesellschaftliche. Liebesstory plus Zeitgeschichte, angerissen im Schnellverfahren.

Am Ende brechen die Darsteller endgültig aus ihren Rollen aus und machen Party. Klar, alles nur ein Spiel. Als hätten wir's nicht gewusst!