Essen. Unser Autor fährt viel Bahn. Sich vorzustellen, das Familienleben komplett ohne Auto regeln zu müssen, ist für ihn aber eine Schreckensvision.
Der Plan ist, dass unser Sohn ab dem nächsten Schuljahr zum Deutschlandticket-Inhaber wird. Es wäre so logisch. Schließlich liegt die Haltestelle fast direkt vor unserer Haustür. Aber wenn er nicht als chronischer Zu-Spät-Kommer bei den neuen Lehrern bekannt werden will oder wir aus ihm keinen Glücksspieler machen wollen, sollten wir wohl weiter aufs Elterntaxi setzen.
Sich nur für einen Moment vorstellen zu müssen, das Familienleben komplett ohne Auto organisieren zu müssen, hebt meine Stresshormonproduktion auf das Level eines Impfstoffbetriebs in Pandemiehochzeiten. Und wo wir schon bei den Corona-Vergleichen sind: Immerhin ist das Leben dadurch glücklicherweise weniger ortsgebunden geworden. Wenn man nicht auch mal von zu Hause arbeiten könnte, müsste man es als Ding der Unmöglichkeit bezeichnen, das Abholen der Kinder, den Kinderarzttermin oder das Privattreffen mit Freunden im Park verlässlich mit dem ÖPNV zu meistern.
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Wenn die Großeltern der Kinder mal wieder mit dem Wohnmobil das europäische Festland erkunden, dann leihen sie mir ihren Wagen. Ansonsten bin ich mit den Öffentlichen unterwegs, während meine Frau auf unser Auto angewiesen ist. Und jedes Mal, wenn ich den Wagen meiner Eltern wieder zurückgeben muss, dann bin ich aufs Neueste erschüttert, wie einfach nichts läuft. Irgendetwas ist immer mit der Straßenbahn. Was los ist, erfährt man natürlich nicht. Die digitale Fahrplanauskunft führt sowieso ihr komplettes Eigenleben, zeigt vier Minuten Verspätung an, wenn die Bahn eine ganze Stunde (!) zu spät kommt.
Wenn ich meiner Frau dann wieder eine wutbürgerhafte Whatsapp schreibe, dann bietet sie mir an, mich mit dem Wagen abzuholen. Ich lehne dann oft genug ab, weil der Anti-Individualverkehr-Idealist in mir sagt: Es muss doch einfach funktionieren! Aber vielleicht habe ich auch einfach eine unentdeckte Schwäche fürs Glücksspiel.
Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako ist 2014 mit Anfang 20 Vater geworden. Seitdem erzählt der Essener in seiner Kolumne – immer mit einem Augenzwinkern – von dem chaotischen Leben mit seiner Familie.