Essen. Einer der großen deutschen Kabarettisten will nicht mehr auf weite Reisen gehen. Im Interview blickt Gerhard Polt auf sein Leben zurück
So oft man vom bayerischen Urviech sprach, so oft lag man falsch bei Gerhard Polt. Wer je diesen großen deutschen Kabarettisten treffen durfte, der begegnete einem vorsichtigen, sehr feinen und leisen Menschen. Nun, mit 82, will Gerhard Polt das Touren aufgeben. Bochum, was ja schon Ausland war, sagt er aber bald noch live „servus“. Lars von der Gönna ging mit Polt auf Erinnerungstour
Exakt 40 Jahre nach ihrem Debüt in Bochum kommen Sie ein letztes Mal an die Ruhr. Es war damals ein Debüt im Nordwesten, Claus Peymann hatte sie geholt. Erinnern Sie sich daran?
Ja, natürlich: Peymann hatte uns im Auge. Später hat er uns ans Wiener Burgtheater geholt. Bochum 1984, das war schon etwas Besonderes, so große Touren kannten wir nicht.
Sie standen für Dialekt-Kabarett plus Alpenländische Musik. Gab es die Angst „Wird man uns im Pott verstehen?“ ?
Ja, die gab es schon. Funktionieren die Lieder im Dialekt, der ja oft auch recht schnell gesungen wird? Vielleicht kennen die nicht jedes Wort, kommt das an? Ich habe immer gesagt, „das funktioniert“. Hat es auch, aber selbstverständlich war es nie. Auch im Fernsehen nicht: Im „Scheibenwischer“ wollte ich die Well-Brüder mit ihren Instrumenten und Liedern dabei haben. Da hat der Sammy Drechsel gesagt: „Das ist ARD, das versteht doch keiner“. Aber es ging. Der Begriff Verständnis ist ja nie total abhängig von einzelnen Wörtern, man nimmt den Kontext auf, die Intention, bei Musik auch einfach die Qualität.
Sie sind eine Institution. Manches von Polt ist Volksgut geworden. Sie haben Politikwissenschaft und Skandinavistik studiert, waren Übersetzer, Lehrer. Wann haben Sie gemerkt: „Kabarett, das kann ein Beruf sein!“?
Das kann ich eindeutig sagen: Freunde hatten mich überredet, bei der „Woche der Kleinkunst“ an den Münchner Kammerspielen mitzumachen. Intendant Dieter Dorn fand, auch diese Kunst brauche eine Bühne, die gehört nicht in den Keller verbannt. Am Ende erhielt ich den „Kulturförderpreis der Stadt München“, 5000 Mark, glaube ich. Vorher war es zaghaft, ab da war es für mich klar: Das machst du!
Nun sind Sie ein halbes Jahrhundert in dem Beruf. Gab es je Motivationsprobleme?
Nein, nie. Erstmal muss man dankbar sein, dass mir es gelungen ist, davon gut leben zu können. Und was ich da tue – man bekommt ja Briefe und anderes Echo – hat einfach vielen Leuten Freude gemacht. Das gibt einem ja Auftrieb, zu empfinden: Ja, du bist auf der richtigen Spur. Das, was du machst, hat einen Sinn.
Ihr Kabarett hat nie von irrem Tempo gelebt. Haben Sie dem immer schneller werdenden Fernsehen auch darum den Rücken gekehrt. Ist die Bühne eine Art Biotop für Gerhard Polt geworden?
Ganz genau so. Die Bühne ist auch ein Ort, wo man vollkommen anders erzählt als im Fernsehen. Viel kontemplativer, mit viel mehr Möglichkeiten, darüber nachzudenken: „Was sagt der?“ Im Endeffekt bin ich ja einfach ein Geschichtenerzähler. Und wenn man Geschichten erzählt und auf Zuhörer trifft, die wirklich zuhören und sich auch nicht vorschreiben lassen, was sie zu hören haben, dann ist die Brettl-Kultur einfach etwas Tolles.
Sie sind nie als Polit-Posaune gegen Atomkraft oder Panzer aufgetreten. Immer spricht aus Ihrem Kabarett einer von uns über die Welt, ob Neureicher oder Kleinbürger. Und alle stets so, dass wir denken: Den kenn’ ich doch.
Das war mir echt wichtig; Ich hab immer versucht, nie eine Figur zu erfinden. Es war immer erleichternd, Leute zu kennen, wo ich weiß, was sie sagen, und wie und warum. Und wie das kippen kann, wenn sie sich in Rage reden. Sie vergaloppieren sich, sie geraten ins falsche Fahrwasser, treten ins Fettnäpfchen, beharren auf ihrem Standpunkt bis zum Absurden. Das ist alles zutiefst menschlich. Vielleicht wär’s ja noch schlimmer, wenn es eine sprachliche Zwangsjacke gäbe und einer nicht sagen könnte, was da an Fermenten alles in ihm kocht und brodelt.
Der Auftritt in Bochum
„Apropos“ heißt das Programm, mit dem Gerhard Polt und seine langjährigen musikalischen Partner, die „Well-Brüder“ sich bald vom Ruhrgebiet verabschieden. Am 13. Mai, 19.30h, gastieren sie ein letztes Mal im Schauspielhaus Bochum.
„Die drei Brüder Stofferl, Michael und Karl Well besingen Bayern und den Rest der Welt“, versprechen die Veranstalter, während Gerhard Polt „in seinem Panoptikum Bavaricum die Abgründe des Bayern an sich zu spiegeln“ ankündigt.
Karten (25-45€) gibt es unter Tel 0234-33335555 oder auf der Website des Theaters: schauspielhausbochum.de
Wo hat das angefangen, solche Typen zu registrieren, kombiniert mit dem Geschichtenerzählen?
Ich glaube, wirklich schon in der Kindheit in Altötting. Ich bin in einer Metzgerei großgeworden, daneben waren die Wirtshäuser. Und in denen saßen eben auch die Leute, die den Krieg erlebt hatten, zurück aus der Gefangenschaft. Verstümmelte, die indirekt feierten, dass sie mit dem Leben davongekommen sind. Als Kind haben die mich sehr geprägt. Ich hab immer gestaunt, wie Leute, obwohl doch so geschädigt, so vergnügt waren. Da zog sich einer den Schuh aus und zeigte, dass ihm in Russland der Zeh abgefroren war. Der Nächste hob das Hemd, seine Einschussnarbe zu zeigen. Und dann lachten sie wieder. Sie waren verzweifelt vergnügt. Solche Stimmungen habe ich als Bub aufgesogen.
Nun sind Sie 82. Hat das Alter Ihr Kabarett verändert?
Ich glaube, im Wesentlichen bin ich mir relativ treu geblieben.