Essen. Und die wohl peinlichste Sex-Szene aller Zeiten kommt auch drin vor – sehr verrückt: Der sehenswerte Kinofilm von Kristoffer Borgli.

Paul Matthews ist der klassische Durchschnittstyp. Halbglatze, Brille, Bart, Parka, den Rucksack überm Arm. Als Professor der Evolutionsbiologie ist er mäßig erfolgreich, das Buch über Ameisen, das er gern schreiben würde, schiebt er so lange auf, bis ihm eine Kollegin die Idee klaut. Nichts als Pech und Pannen.

Doch eines Tages beginnen immer mehr Menschen, von Paul zu träumen. Ein Phänomen, das von den Medien enthusiastisch gefeiert wird. Paul steigt auf vom Mister Nobody zum angesagtesten Menschen der Welt. In der schwarzen Komödie „Dream Scenario“ erzählt der norwegische Drehbuchautor und Regisseur Kristoffer Borgli („Sick Of Myself“) seine verrückte Geschichte.

Julianne Nicholson spielt die Ehefrau des Mister Nobody Paul

Dass es ein unterhaltsamer Film geworden ist, ist aber dann doch in erster Linie einem zu verdanken: Nicolas Cage als Paul ist eine Wucht. Ein Leisetreter mit gigantischem Widerhall, optisch angesiedelt irgendwo zwischen Jürgen Klopp und Dieter Hallervorden. Wie er genervt mit seinen ebenfalls genervten Töchtern am Frühstückstisch sitzt. Wie er in der Uni nahezu entrückt über das Tarnverhalten von Zebras philosophiert: All das hat großen Unterhaltungswert.

Ausrasten kann er aber auch: Nicolas Cage in „Dream Scenario“.
Ausrasten kann er aber auch: Nicolas Cage in „Dream Scenario“. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Cage ist linkisch, lakonisch und getrieben, witzig und dennoch eine tragische Figur. Das muss man erstmal hinbekommen. Wobei die Sache mit dem Zebra dann doch über allem steht: Es trägt seine Zeichnung, um nicht in der Gruppe aufzufallen und dadurch zum Opfer zu werden. Und genau das passiert dem armen Paul.

Nicolas Cage im „Talking Heads“-Anzug von David Byrne

Erst sind es nur Einzelfälle: seine Tochter, eine Angestellte in dem Restaurant, das er besucht, die Ex. Doch dann sind immer mehr betroffen. Langweiler Paul erscheint ihnen im Traum. Wobei er eigentlich nichts tut, während ringsherum die Welt untergeht oder Psycho-Pilze an Bäumen wachsen. Mal steht er rum, mal spaziert er durchs Bild, immer bleibt er passiv wie im wahren Leben. Bald findet sich Paul in Talkshows wieder. Agenturen reißen sich darum, ihn als Limonaden-Werbeträger zu vermarkten. Sogar seine Töchter finden ihn cool und in seiner Ehe mit Janet (Julianne Nicholson) läuft es besser. Paul sonnt sich in seinem Ruhm. Doch dann wendet sich das Blatt – aus den Träumen der Menschen werden Alpträume, in denen er als Killer erscheint.

Borglis Film ist originell und er ist kurzweilig; eine kleine böse Mediensatire auf Cancel Culture, Personenkult und Internet-Hype, komplett auf Tuchfühlung gedreht im 16-mm-Format, wobei Kameramann Benjamin Loeb starke (Traum-)Bilder gelingen. Deshalb: Trotz des schwächeren zweiten Teils (und der vermutlich peinlichsten Sex-Szene aller Zeiten): Das kann man sich ruhig ansehen. Schon wegen Cage im „Talking Heads“-Anzug von David Byrne.