Essen. Der Übernachtungsgast ist König? Warum die Tochter unseres Autors das zunächst für eine ziemlich dämliche Vorgabe zu halten schien.
Sie werden ja auch für Zwillinge gehalten. Ich hatte mir deswegen vorgestellt, dass die beiden Mädels bis tief in die Nacht tratschen und kichern. Stattdessen kam einer von beiden im Zwei-Minuten-Takt rüber zu mir, um sich zu beschweren. Weil die andere „zu laut mit den Kuscheltieren spielt“ zum Beispiel.
Schon vorher war die erste offizielle „Übernachtungsparty“, die meine Tochter mit ihrer besten Freundin bei uns feiern durfte, nicht gerade von Harmonie geprägt. Weil meine Erstklässlerin beim „Seilchenspringen“ mit dem Gürtel ihres Bademantels – trotz mehrfacher Ermahnung – gegen das Gesicht ihrer Freundin peitschte, weil eine Playmobilfigur eine Rolle zugesprochen bekam, die der Herrin des Hauses überhaupt nicht passte, weil sie lieber ein Solostück statt ein Duett auf dem Klavier spielen wollte. Kurzum: Weil sie im Großen und Ganzen konsequent ihren Kopf durchsetzten wollte und keine Lust hatte, eine Lektion in Sachen Gastfreundlichkeit absolvieren zu wollen. Der Gast ist König? Er ist Untertan – und muss dem Prinzesschen die Füße küssen.
Geschwisterchen müssen eben streiten
Beruhigenderweise stellte der Vater unseres Gastes beim Abholen klar, dass sich seine Tochter auch nicht groß anders verhalte, wenn unsere kleine Herzogin dort in Empfang genommen wird und sich erdreistet, in den dortigen Gemächern zu nächtigen. Nicht umsonst sprechen wir die beiden in der Regel nicht mit ihrem Adelstitel an, sondern bezeichnen sie passenderweise als das, was sie eher sind – „kleine Hexen.“
Ob sie (vielleicht abgesehen von weiteren Lektionen in Chaosmagie) denn etwas gelernt hat, wollte ich von meiner Hexe im Anschluss der Übernachtungsparty also wissen. Und siehe da: „Jaaaaaha, gastfreundlich sein“, war tatsächlich die Antwort. Warum die beiden denn als beste Freundinnen immer so viel streiten müssten, wollte ich außerdem wissen.
„Weil“, sagte meine Tochter, „Geschwister eben immer so viel streiten.“
Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako ist 2014 mit Anfang 20 Vater geworden. Seitdem erzählt der Essener in seiner Kolumne – immer mit einem Augenzwinkern – von dem chaotischen Leben mit seiner Familie.